Bereits im März hätten 1600 (!) Corona-Tote verhindert werden können, wenn der Bundesrat nur eine Woche schneller reagiert hätte. Nun ist die zweite Welle voll im Anmarsch. Und wieder pfeift die Regierung bewusst auf Tausende Menschenleben. Wieso? Und wie würde eine sozialistische Gesellschaft auf die Pandemie reagieren?

Ein zweiter Lockdown wäre extrem teuer. Zunächst teuer für den Staat, weil er erneut mit dutzenden Milliarden den Kollaps des Kapitalismus verhindern muss. So würde der ohnehin schon grosse Schuldenberg weiter anwachsen. Doch eine zweite Schliessung grosser Teile des öffentlichen Lebens wird in allererster Linie teuer für die Kapitalisten: Über 75% aller Unternehmen sagen, dass sich ein zweiter Lockdown negativ oder sehr negativ auf ihre Geschäfte auswirken würde. Wenn die ArbeiterInnen nicht arbeiten, dann wird kein Mehrwert produziert und die Kapitalisten können keine Profite machen.

Historische Krise

Doch die Kapitalisten brauchen die Arbeiterklasse nicht nur auf der Arbeit, schliesslich arbeiteten die meisten Lohnabhängigen im Frühling trotz Corona weiter. Damit der Kapitalismus funktioniert, müssen die ArbeiterInnen auch möglichst viel konsumieren. Gerade der Konsum wurde durch den Lockdown aber stark beeinträchtigt. 

Bezüglich der zweiten Welle ist das grosse Problem: Wir stehen heute erst am Anfang der schlimmsten Wirtschaftskrise des Kapitalismus je. Sie ist so tief, weil eben auch im Schweizer Kapitalismus schon zuvor alle Zeichen auf Sturm standen. So herrschte bereits vor Corona ein Überangebot in mehreren Branchen (beispielsweise Gastronomie und Industrie).

Die aktuelle Krise wird sich noch lange Zeit weiterziehen. Auch in der Schweiz sprechen viele Faktoren dafür: Alle wichtigsten Handelspartner verzeichnen historisch tiefe Zahlen, was die Schweiz zu einem Teil der weltweiten Abwärtsspirale macht. Nach den Coronakrediten sind die Unternehmen so stark verschuldet wie nie zuvor. Viele wissen nicht, ob sie die Schulden je zurückzahlen können. Die Investitionen gehen in fast allen Sektoren stark zurück, was die Wachstumsaussichten nochmals hart vermindert. Wichtige Sektoren der Schweizer Wirtschaft, wie beispielsweise die Industrie und der Bau, lebten im Frühling teilweise noch von alten Aufträgen. Sie werden erst im zweiten Halbjahr richtig in der Krise ankommen. Und aufgrund ihrer Stellung unweigerlich weitere Sektoren (Zulieferer, Dienstleistungen, etc.) mit sich ziehen.

ArbeiterInnen bezahlen auch mit ihrem Leben

Die Kapitalisten werden für ihre Überproduktionskrise – sie machen keine Profite – die ArbeiterInnen zur Kasse beten. Nicht nur mit ihrer Gesundheit, sondern auch mit ihrem Lebensstandard. Ein Viertel der Unternehmen in der Schweiz «hält Entlassungen in den kommenden 12 Monaten für wahrscheinlich». Eine optimistische Prognose lautet, dass die verfügbaren Einkommen um 2.5% sinken werden, wovon natürlich die wenig Verdienenden am härtesten getroffen sind. Dies wiederum wird die Krise weiter anheizen, schliesslich kann mit weniger Einkommen auch weniger konsumiert werden. Die Kapitalisten bleiben auf ihren Waren und ihren Produktionsanlagen sitzen, ohne Profite zu machen.

Kurz: Die Kapitalisten können sich einen weiteren Lockdown nicht leisten, weil bereits der erste die kapitalistische Wirtschaft nah an den Abgrund gebracht hat. Der Bundesrat, dessen Aufgabe die Verwaltung des Schweizer Kapitalismus ist, wird daher erneut bis zum letzten Moment warten, bis ein Lockdown ausgerufen wird. Die ArbeiterInnen bezahlen dafür mit ihrer Gesundheit und schon nur im März 1600 von ihnen völlig unnötigerweise sogar mit ihrem Leben (Studie Uni Bern). Die kriminelle Energie der herrschenden Klasse wurde durch den Masken-Skandal (Beamte horteten eine Million Masken) dann gänzlich entblösst.

Der Kapitalismus muss gestürzt werden!

Dieses sich abzeichnende Desaster ist absolut unnötig. Nur im Kapitalismus wird die Gesellschaft an den Abgrund gestellt, nur weil die ArbeiterInnen nicht konsumieren. Wenn während einer Pandemie im Vergleich zu den unmittelbaren Bedürfnissen zu viele Waren und Dienstleistungen produziert werden, sollte das den arbeitenden Menschen eigentlich zusätzliche freie Zeit geben.

Unsere Gesellschaft hat heute bei weitem ausreichend Reichtümer, um alle nicht-existenzielle Produktion für lange Zeit zu stoppen, damit unsere Gesundheit geschützt wird. Und zwar ohne Massenarbeitslosigkeit, ohne allgemeinen Existenzängste und ohne Massenverhungerungen in weniger entwickelten Ländern zu provozieren. Doch diese gigantischen Reichtümer sind bei ein paar wenigen kriminellen Parasiten konzentriert. Deshalb müssen wir sie unter demokratische Kontrolle stellen und gemäss den menschlichen Bedürfnissen geplant verteilen!  Nur so wäre ein Lockdown keine beängstigende und widersprüchliche Zwangsmassnahme des kapitalistischen Bundesrats (siehe Mit Warn-Apps die zweite Welle bekämpfen?). Sondern eine demokratisch beschlossene und kontrollierte Entscheidung im Interesse der Bevölkerung.

Der Widerstand der Arbeiterklasse und Jugend gegen die kapitalistische Barbarei hat bereits angefangen. Black Lives Matter, Frauenstreik und Klimastreik waren erste Ausdrücke einer allgemeinen, angestauten Wut in der Gesellschaft. Die Kombination aus völlig unnötigen Kranken und Toten zusammen mit dem regelrechten Wirbelsturm von Entlassungen, Arbeitslosigkeit und Sparmassnahmen: eine hochexplosive Mischung braut sich zusammen.

Inhalt

Kampf gegen Rassismus! Aber mit welchen Ideen
Wenn Rassismus zum Alltag gehört
Inside Marxist Tendency
Mit Warn Apps die zweite Welle bekämpfen?
Mit Arbeiterpolitik gegen die SVP-Kündigungsinitiative!
Wie gegen Massenentlassungen kämpfen?
Arbeitskämpfe in der Schweiz und in Europa
„Projekt 2020“: Klassenkampf & Aufgaben der JUSO
Fossile Brennstoffe und Coronakrise
International Marxist University: Keine akademische Übung!
Wie lange kann Bibi noch spalten?
What ist our power?“: HafenarbeiterInnen unterstützen BLM
„Zombie-Firmen“ und kommende Hungersnot
Über meine Arbeit…