Es sind dramatische Tage, in denen wir leben. Täglich neue Hiobsbotschaften und Krisentreffen. Die deutsche Bundesregierung muss die Wochenenden zur Krisenbewältigung freihalten. Finanzminister Steinbrück wurde am Samstagabend böse überrascht, als die Hypo Real Estate (HRE) mitgeteilte hat, dass das am Wochenende zuvor mühsam ausgehandelte Rettungspaket mit 35 Milliarden Euro nicht ausreiche. Der HRE fehle kurzfristig eine Summe von bis zu 50 Milliarden Euro und bis Ende 2009 sogar 70 bis 100 Milliarden Euro.

Fieberhaft versuchten nun die Bundesregierung und Banken ein neues „Hilfspaket“ (was für eine Beschönigung! Geht es hier um Hunger- oder Katastrophenhilfe?) zu schnüren, um die von Bundesbank und Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) befürchteten Folgen eines Kollapses abzuwenden. Es gibt sogar Befürchtungen, dass ausländische Investoren in großem Umfang Geld aus Deutschland abziehen würden, wenn der Staat die HRE nicht rette. 
Am späten Sonntagabend haben sie sich dann auf ein Rettungspaket für die HRE verständigt. Der Bund erhöht seine Bürgschaft von 26,5 Milliarden Euro auf 35 Milliarden Euro. Die Banken, die zunächst das ursprüngliche Paket scheitern ließen, tragen jetzt plötzlich 14 Milliarden Euro.

Das wirft viele Fragen auf: Wie konnte es passieren, dass nach wenigen Tagen schon wieder neue Finanzmittel für die HRE notwendig sind? Hat sich die Bundesregierung auf die Bundesbank und Bankenaufsicht verlassen und keine Zahlen erhalten? Hat die Regierung erst durch Berichte der Nachrichtenagenturen vom Platzen des HRE-Rettungspakets erfahren? Wer macht da wem was vor? 
Die Bundesregierung habe eingreifen müssen, um ein Ausbreiten der Finanzkrise auf das ganze Finanzsystem zu verhindern, so Finanzminister Peer Steinbrück.
Bei einer Inanspruchnahme der Bürgschaft durch die HRE wäre das Ziel der Bundesregierung, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, allerdings passé. Die aufgekauften Papiere in den Tresoren der Banken blieben wertlos. Einen Haushalt ohne neue Schulden würde es bis zum Jahr 2011 dann sicher nicht geben. Der Kampfbegriff der herrschenden Klasse vom schuldenfreien Haushalt wurde zugunsten der Reichen einfach mal fallengelassen, während in den letzten Jahren kein Geld für die Armutsbekämpfung, höhere Hartz IV-Sätze, bessere Bildung usw. vorhanden war, weil man angeblich den „Haushalt sanieren wollte“. Den größten Teil der Lasten muss auch in diesem Fall der Staat tragen, da die Privatbanken keine allzu hohen Lasten tragen wollten. Am liebsten wäre ihnen sogar eine Verstaatlichung von HRE gewesen, damit sie keine Verantwortung übernehmen müssen. Das ist Sozialismus für die Reichen und freier Markt für die Armen.

Die Bundesregierung starrte zunächst wochenlang auf die Krise in die USA, beschwichtigte die Öffentlichkeit und verwies auf das US-amerikanische System der freien Marktkräfte, die zu dieser Finanzmarktkrise geführt habe. Nun holt sie die Krise auch in Deutschland ein. Die Krise an den Finanzmärkten erreicht Deutschland mit voller Wucht und zerstört die letzte Hoffnung, dass das Schlimmste an den deutschen Banken vorbeigegangen sei. Damit ist auch die Illusion erschüttert, dass die deutschen Regularien gegriffen hätten und es hierzulande zu solchen Verwerfungen nicht kommen könnte. Angesichts der Zusammenbruchsszenarien gewährte die Bundesregierung am Sonntagabend auch eine Staatsgarantie für alle privaten Spargeldeinlagen, Termineinlagen und Girokonten. Damit solle verhindert werden, dass Privatkunden am Montagmorgen in Panik Geld in größerem Stil von ihren Konten abheben, was in letzter Konsequenz zu einem Zusammenbruch der betroffenen Banken führen würde. Die Angst macht sich breit.

Wer in diesen Tagen, die Presse aufmerksam liest, reibt sich verwundert die Augen. Da fordern gerade diejenigen eine Regulierung und Intervention durch den Staat, die in der Vergangenheit als lautstarke „Marktradikale“ und Neoliberale aufgefallen sind. Es gebe in dieser „Ausnahmesituation“ keine Alternative als durch massive Hilfe mit Steuergeldern die Krise zu überwinden. Ein Zusammenbruch des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate hätte massive Konsequenzen für den Finanzplatz Deutschland, dozierte Steinbrück. Die HRE ist einer der großen Finanzierer von staatlichen Haushalten, Gebietskörperschaften, Ländern und gewerblichen Immobilien. Im Falle einer Insolvenz des Dax-Konzerns HRE würden künftige Finanzierungen erschwert. Das würde die gesamte Wirtschaft in die Krise ziehen.

Lehrstück DEPFA-Bank – eine gescheiterte Privatisierung!

Die HRE ist durch eine massive Schieflage ihrer Tochter „DEPFA-Bank“ an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Die DEPFA hatte nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers Probleme, sich kurzfristig am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Interessant ist die Geschichte der DEPFA. Sie wurde 1922 als Preußische Landespfandbriefanstalt gegründet und war nach dem Kriege bis 1990 eine Anstalt in Bundesbesitz mit Sitz in Wiesbaden, deren Geschäftsfeld vor allem die Finanzierung von Kommunen und staatlichen Organen war. Kleinsparer und Kapitalbesitzer konnten über sie etwa Pfandbriefe und Staatsschuldverschreibungen mit fester Verzinsung erwerben.

Im Rahmen der Privatisierungspolitik der Bundesrepublik Deutschland wurde die DEPFA zum Jahreswechsel 1989/90 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der Börsengang fand im März 1991 statt.

„Die Privatisierung der DEPFA gilt als eine der erfolgreichsten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die DEPFA Gruppe agierte seit 1990 nicht mehr auf der Basis eines öffentlichen Auftrages, sondern fühlte sich als markt- und ertragsorientiertes Unternehmen dem Shareholder Value Prinzip verpflichtet“, prahlt die DEPFA in einer aktuellen Selbstdarstellung im Internet.
Die privatisierte DEPFA galt als „Vorzeigemodell einer gelungenen Privatisierung“. Ihren Sitz verlegte sie nach Irland, weil es dort weniger strenge Reglementierungen und niedrigere Steuern gab. Seit Oktober 2007 ist die DEPFA BANK eine 100-prozentige Tochter der HRE. Jetzt haben offensichtlich windige Geschäfte der irischen Tochter DEPFA die HRE ins Schlingern gebracht und die Bundesregierung zum Eingreifen gezwungen. Soviel zur „erfolgreichsten Privatisierung in der Geschichte“. Ohne Privatisierung wäre uns sicher vieles erspart geblieben.

Auch wenn im Zuge der Bankenkrise nun durch staatliche Interventionen und in manchen Ländern sogar eine Verstaatlichung ein weitergehender Zusammenbruch verhindert werden kann, so sind die Probleme längst nicht gelöst. Weitere Bankenkrisen werden folgen, insbesondere wenn, wie Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigen, die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession abdriftet. Dieses Gemengelage ist die Grundlage für einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, weiter um sich greifende Verarmung und verstärkte Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung.

Die Verantwortung der Politik

Die rot-grüne Bundesregierung hat in ihrer Regierungszeit 1998-2005 die Entwicklungen aktiv gefördert, deren Konsequenzen wir jetzt ausbaden müssen. Die Öffnung des deutschen Finanzmarktes wurde als wichtiger Meilenstein in einer globalisierten Welt gefördert, wovon Deutschland profitieren werde, so versprach man uns. Der Spekulation wurde damit Tür und Tor geöffnet. Die massive Umverteilung von unten nach oben und die rasanten Profite der Großkonzerne, Banken und Versicherungen haben nicht zu einer Ausweitung gesellschaftlich sinnvoller Produktion geführt, sondern zu einer Aufblähung des Finanzsektors, der mit den Milliarden von überschüssigem Geld die Spekulation weiter antrieb. Es war gesellschaftlich erwirtschaftetes Geld, das nun von den Zockern „verspielt“ wurde. Jede einzelne Privatisierung hat diese Entwicklung gefördert. Gesellschaftliches Eigentum wurde an die Finanzindustrie verhökert.

Es ist eine Bankrotterklärung neoliberaler Politik und ihrer Verfechter, dass jetzt der Staat und damit die Allgemeinheit mit hohen Milliardensummen einspringen muss, um eine „noch schlimmere Katastrophe zu verhindern“. Alle, die für diese Politik verantwortlich sind, müssen gehen. Bundesfinanzminister Steinbrück und die Bundesregierungen von Schröder bis Merkel haben Deutschland bewusst den spekulativen Elementen des Finanzmarktes ausgesetzt. Auch durch die personelle Verfilzung wird deutlich, warum es zu dieser Politik kommen konnte. Ex-Daimler-Manager Jürgen Schrempp stieg als Berater bei der inzwischen insolventen Investmentbank Lehmann Brothers ein, der ehemalige Kanzleramtsminister Bury sogar als Vorstandsmitglied. Bury, der als neoliberaler „Senkrechtstarter“ in der SPD diese kapitalfreundlichen Gesetze federführend konzipierte, hing 2005 sein Abgeordnetenmandat an den Nagel und wurde 2006 Managing Director bei der Deutschland-Filiale von Lehman Brothers in Frankfurt. Jetzt erfahren wir tagtäglich, wie deutsche Banken vielen tausend Kleinsparern mit irreführender Beratung Lehman-Papiere angedreht haben, die sich als wertloser Fetzen Papier erwiesen haben. Warum versteckt sich der Investmentbänker Bury, der übrigens nach wie vor auch im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom sitzt, vor der Öffentlichkeit?

Bei dieser Aufzählung darf einer nicht fehlen: der frühere CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende und Multi-Lobbyist Friedrich Merz. Er war beim Verkauf der IKB an Lonestar für einen Schleuderpreis die Schlüsselfigur. Zuvor hatte der Bund die IKB-Bank mit Milliarden Steuergeldern gerettet. So hat sich immer mehr ein Filz aus Politik und Finanzkapital entwickelt, der keiner demokratischen Kontrolle oder Transparenz untersteht.

Im Schatten der Finanzkrise versuchen Privatbanken und Neoliberale die Gunst der Stunde zu nutzen und die Schuld auf die öffentlich-rechtlichen Banken abzuwälzen und ein Versagen ihres Modells festzustellen. Sicher ist, dass auch Landesbanken (wie etwa die Bayern LB oder die LBBW) vor Zahlungsschwierigkeiten stehen und in die Subprime-Krise involviert sind. Das nährt Vorurteile und dient der Ablenkung. Die öffentlich-rechtlichen Banken haben Verluste von ca. 20 Milliarden Euro gemacht. Die Privatbanken werfen natürlich einen gierigen Blick auf diesen Sektor, da die sieben selbstständigen Landesbanken und 460 Sparkassen 33,5 Prozent der gesamten Bilanzsumme des deutschen Bankensektors aufweisen. Das stellt ein begehrtes Profitfeld dar. Hände weg von einer Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Bankensystems!

Krise des Kapitalismus

Die Finanzkrise spiegelt nicht spezielle Mängel des Finanzsektors wider, sondern die allgemeine Krise des Kapitalismus. Der Abzug immer größerer Teile des Profits/Mehrwerts der Realwirtschaft in den Finanzsektor, der zunehmend den parasitären Charakter des Kapitalismus ausdrückt, bedeutet, dass die Produktions- und Eigentumsverhältnisse immer mehr zu Fesseln der Entwicklung der Produktivkräfte werden. Deshalb muss jetzt vor allem DIE LINKE verstärkt die Eigentumsfrage stellen. Eine wirkliche Aufsicht über die Banken und eine Regulierung im Interesse der Allgemeinheit ist ohne staatlichen Besitz und Kontrolle über die Banken unmöglich. Das politisch gewollte Wachstum des Finanzsektors gründete sich auf Betrug und Spekulation zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung. Der Ruf nach dem „guten alten Kaufmann“ mit seinen Prinzipien und dem Industriekapitalisten – im Gegensatz zur Gier der heutigen Kapitalisten – ist ein Hilfeschrei und Ausdruck der Sehnsucht nach einem längst untergegangenen Kapitalismus. Profitstreben und Renditegier sind das Prinzip des Kapitalismus – heute wie damals.

Verursacherprinzip

Die Krise ist längst nicht ausgestanden. Weltweit befinden sich die Aktienkurse im freien Fall. Neue Hiobsbotschaften werden folgen und die Leidtragenden sind wir. Deshalb müssen wir die Verursacher zur Rechenschaft ziehen. 
Wir fordern die Offenlegung der Geschäftsbücher aller in finanzielle Schieflage geratenen Banken und Versicherungen. Vorstand und Aufsichtsräte müssen persönlich haften. 
Kein Euro vom Steuerzahler für die so genannten „Rettungsfonds“. Stattdessen fordern wir als ersten Schritt die Verstaatlichung der Krisenbanken unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft, des Staates und Gewerkschaften sowie die Verstaatlichung aller Banken und Versicherungen. 
Wir müssen die Kommandozentralen der Wirtschaft durch die Verstaatlichung aller Banken, Versicherungen und Großkonzerne aus den privaten Händen nehmen. Entschädigung nur bei erwiesener Bedürftigkeit.
Wir brauchen keine 100 Privatbanken, sondern eine demokratisch kontrollierte und transparente Staatsbank, die für die Bevölkerung da ist und Kleinunternehmern faire Kredite gewähren kann. 
Wir fordern eine einheitliche Versicherung für alle, die alle gesellschaftlichen und Lebensrisiken abdeckt.

Als Marxisten dürfen wir die Kontrolle der Wirtschaft nicht der Anarchie der kapitalistischen Marktwirtschaft überlassen. Es darf nicht sein, dass die Arbeiterklasse die Rechnung für diese Katastrophe bezahlen muss, während die Finanzjongleure, die in der Vergangenheit Millionen gescheffelt haben, ungestraft davonkommen. Bevor der Steuerzahler mit einen Cent aufkommen muss, sollen die gescheiterten Geschäftsführer, Finanzberater und Wertpapierhändler, deren Gier nach Profit das irrsinnige System geprägt hat, persönlich haften und dazu ihre Bankkonten öffnen. Es ist nicht zu akzeptieren, dass sie in den „fetten Jahren“ riesige Profite und Dividenden machen und sich in der Krise von der Allgemeinheit aus der Patsche helfen lassen. Wie viele überschuldete Familien mussten den Gerichtsvollzieher ins Haus lassen, weil sie aus der Schuldenfalle nicht mehr herauskamen!

Wir lehnen auch solche „Verstaatlichungen“ ab, die nur das Ziel einer Re-Privatisierung zu einem späteren Zeitpunkt haben, also dann, wenn die Verluste oder faulen Kredite vom Staat aufgekauft wurden und später wieder Gewinne zu erwarten sind.

Der Kapitalismus ist gescheitert, weil er uns keinen bescheidenen und sicheren Lebensstandard und auch keine sorgenfreie Zukunft bieten kann. Er ist gescheitert, weil er Millionen ArbeiterInnen in ganz Nordamerika und in aller Welt in Armut stürzt. Ja, wir sollten die Banken verstaatlichen, aber Entschädigungen nur bei erwiesener Bedürftigkeit zahlen. Wir alle sollten von einer solchen echten und nachhaltigen Verstaatlichung profitieren. Diese Verstaatlichungen sollten als ein Teil einer rationalen Wirtschaftsplanung durchgeführt werden, die unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten, Gewerkschaften und des Staates steht und dem Wohle der Allgemeinheit und nicht dem Profit dient.