Nach dem Strike For Future (St4F) steht die Abstimmung zum CO2-Gesetz vor der Tür. (Fast) die gesamte Linke kämpft für ein Ja. Obwohl nicht alle blind und begeistert hinter dem Gesetz stehen, sorgt unsere Position für ein linkes Nein für Kritik. Warum vertreten wir diese Position?

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – und der Kampfeswille ist definitiv da. Seit mittlerweile fast drei Jahren finden Klimastreiks statt. Mit dem St4F macht die Bewegung bewusst einen Schritt  auf die Gewerkschaften und damit auf die Arbeiterklasse zu. 

Wir machen uns keine Illusionen: Die Klimakatastrophe kann nur abgewendet werden mit dem «System Change», wenn wir das kapitalistische System stürzen und mit ihm alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung. Je schneller wir die Macht der Banken und Konzerne brechen, umso besser für den Planeten und die Mehrheit aller Menschen!

Dazu brauchen wir die grösste gesellschaftliche Kraft, die es gibt: die internationale Arbeiterklasse. Doch um ihr gewaltiges Potential zu realisieren, muss sie sich organisieren, ihre zentrale Stellung im Kapitalismus erkennen und sich bewusst gegen ihre Ausbeutung auflehnen. Die entscheidende Frage ist also: Wie kann die Klimabewegung die Arbeiterklasse gewinnen?

Gut ist, was guttut

Die Ideologie der Herrschenden verneint, dass es Klassen gibt und atomisiert uns. Sie spaltet uns in Milliarden unabhängiger, egoistischer Individuen und verschleiert so die Ausbeutung der Lohnabhängigen durch das Kapital. Gespalten sind die Lohnabhängigen wehrloses Ausbeutungsmaterial. 

Der Kampf gegen den Kapitalismus ist also der Kampf um das Bewusstsein und für die Organisierung der Arbeiterklasse. Jede Forderung, mit denen wir die KapitalistInnen und ihre Ausbeutung entlarven, zeigt den ArbeiterInnen, wer tatsächlich von ihrem Elend profitiert. Jede Verbesserung, für deren Erreichung sich die ArbeiterInnen organisieren müssen, überwindet die Spaltung und vereint die Klasse.

Jeder Schritt, der kollektive Organisierung und Klassenbewusstsein fördert, ist fortschrittlich: Denn es ist ein Schritt für grössere Schlagkraft und klarere Bewusstwerdung der Ausgebeuteten und ist damit ein Schritt vorwärts auf dem Weg zur siegreichen Revolution. Das ist der politische Massstab, nach welchem wir Position beziehen.

Ist das CO2-Gesetz ein Schritt vorwärts?

Wir müssen uns fragen: Fördert der Kampf für das CO2-Gesetz das Klassenbewusstsein der Massen? Nein! Das Gesetz verschweigt die wahren Ursachen der Klimakrise: Kapitalistisches Profitstreben, Konkurrenz, Grosskonzerne und Banken. Stattdessen wird die Verantwortung auf die individuellen Verbraucher abgewälzt und wir alle sollen den Gürtel enger schnallen.

Fördert der Kampf fürs Gesetz die Organisierung der ArbeiterInnen? Auch hier müssen wir verneinen. Es ist eine individualistische Scheinlösung und spaltet die ArbeiterInnen: in diese, die Angst ums Klima haben und jene, die Angst um ihre Jobs haben. 

Der Kampf fürs CO2-Gesetz ist also kein Schritt vorwärts, im Gegenteil. Das Gesetz verschleiert die wahren Machtverhältnisse, schiebt den Ausgebeuteten die Teilschuld in die Schuhe und verschwendet so wertvolle Zeit. Die Erkenntnis des St4F, dass wir für den «System Change», für den Sturz des Kapitalismus, die Arbeiterklasse brauchen, ist fortschrittlich! Doch wie lassen sich die ArbeiterInnen gewinnen?

Wie weiter?

Die Herrschenden führen ihren Angriff auf die Lohnabhängigen bereits mit verstärkter Härte: Lohnsenkungen, Rentenkürzungen, Sparpakete. Um die ArbeiterInnen zu gewinnen, müssen wir den Kampf für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in allen Bereichen aufnehmen: Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Bildung usw.

Die KapitalistInnen und ihre Handlanger pressen die ArbeiterInnen immer stärker aus. Wir können keine faule Kompromisse mit den Bürgerlichen und KapitalistInnen machen, wenn wir die Arbeiterklasse ernsthaft organisieren und gewinnen wollen. Denn in der Krise gibt es ohne ernsthaften Kampf gegen die KapitalistInnen gar nichts.

Die Verteidigung des vermeintlich «kleineren Übels», des CO2-Gesetzes, hat erneut wertvolle Zeit verschwendet. Der Klimastreik hätte mit einer linken Opposition die Chance gehabt, einen Schritt auf die Arbeiterklasse zuzumachen. Die Abwesenheit eines linken Neins wird Teile der Arbeiterklasse, die sich nicht weiter auspressen lassen wollen, zuerst in die Arme der SVP treiben. Das ist ein Rückschlag.

Aber es ist nichts verloren: Es werden neue Möglichkeiten kommen; kein Problem wurde auch nur im Ansatz gelöst. Entlarven wir die Ausbeuter und arbeiten wir auf den Sturz des kapitalistischen Systems hin. Das geht nur mit einem sozialistischen Programm, weil dieses direkt gegen die Kapitalisten gerichtet ist und auf die Selbstermächtigung der Arbeiterklasse abzielt.

Das CO2-Gesetz setzt falsch an: die Bosse sollen zahlen! Die Klimabewegung kann von hier an nur noch vorwärtskommen, wenn sie sich zum grösseren revolutionären Kampf für den Sozialismus erhebt. Diese Einsicht müssen wir in der Klimabewegung fördern. Gewinnen wir die Jugend für den Sozialismus und tragen wir diesen Kampf dann in die Arbeiterbewegung und die Gewerkschaften! Organisieren wir uns als revolutionäre SozialistInnen für den Klassenkampf gegen die soziale und ökologische Krise des Kapitalismus!

Jonathan Nerú
Juso Winterthur

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