Zehntausende amerikanische HafenarbeiterInnen traten am 19. Juni in den Streik. Ihr Kampfwille und ihre Solidarität sind ein Beispiel, dem die gesamte Arbeiterbewegung folgen sollte. Sie zeigen die revolutionäre Kraft der ArbeiterInnen.

Bild: Peg Hunter, CC BY-NC 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Am 19. Juni organisierte die International Longshore and Warehouse Union (ILWU), eine Gewerkschaft mit mehr als 40.000 Mitgliedern, einen 8-stündigen Streik in nicht weniger als 29 Häfen an der Westküste der USA. Das Ausmass dieses Streiks war enorm: Er ging über einen wirtschaftlichen Kampf für gute Arbeitsbedingungen hinaus. Tatsächlich handelt es sich um einen politischen Streik zur Unterstützung der Black Lives Matter-Bewegung.

Der Streik ist unser einziges Kampfmittel
Indem sie den Warentransport massiv blockierten, beantworten die Streikenden eine grundlegende Frage: Wie können die ArbeiterInnen unsere Gesellschaft verändern? Und wie kann der Rassismus bekämpft werden?

Boots Riley, ein kommunistischer Regisseur und Rapper, intervenierte an einem der Streikorte in Oakland:

Was ist unsere Macht? Das ist die Antwort, die wir heute geben. Unsere Macht kommt aus der Tatsache, dass wir Wohlstand schaffen. Reichtum ist Macht. Wir haben die Fähigkeit, uns diese Macht anzueignen. Wir haben die Möglichkeit, unsere Arbeit auszusetzen. Stellen wir uns vor, dass dies nicht nur ein eintägiger Streik ist. Stellen wir uns vor, wir beschliessen, alle Häfen an der Westküste zu blockieren. Sie würden Milliarden von Dollar verlieren […] Wir würden die Welt abschalten, und wir würden diese ***** beseitigen.

Nur wenn die kapitalistische Produktionsweise frontal bekämpft wird, hat die Arbeiterklasse wirklich Schlagkraft und kann so die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gegenüber der besitzenden und herrschenden Minderheit durchsetzen. Diese Minderheit ist unter anderem für den strukturellen Rassismus verantwortlich. Indem sie den harten Wettbewerb unter den ArbeiterInnen künstlich aufrechterhält, schafft sie konkrete Bedingungen für fremdenfeindliche Gefühle in der Arbeiterklasse. «Teile und herrsche» ist eine Notwendigkeit für Kapitalisten, die mit einer zahlenmässig viel grösseren Klasse konfrontiert sind.  Der Angriff auf den Kapitalismus ist daher die einzige Möglichkeit, den Rassismus an der Wurzel anzugreifen. Die Streikenden an der Westküste haben das verstanden.

Eine revolutionäre Perspektive verteidigen
Dieser enorm kämpferische Streik zeigt einmal mehr, dass immer breitere Schichten der Arbeiterklasse zum Kampf bereit sind. Die Massenbewegungen der letzten Monate und Jahre auf der ganzen Welt sind ein lebendiger Ausdruck der Krise des Kapitalismus und insbesondere der Verschlechterung unserer Lebensbedingungen, der Prekarität und des Elends eines immer grösser werdenden Teils der Bevölkerung. Dies wurde durch das Coronavirus noch verstärkt: In einer der jüngsten Umfragen, die von Harris Poll und Just Capital durchgeführt wurde, sagten 85% der Befragten, dass «die Pandemie die zugrunde liegenden strukturellen Probleme der US-Gesellschaft aufgedeckt hat». Die Wut zur Umgestaltung unserer Gesellschaft ist da, unter einer Schicht von Frustration begraben, aber bereit zu explodieren.

Was also fehlt, ist nicht der Wille, den Kapitalismus zu bekämpfen, sondern dass eine überzeugende Methode vorgeschlagen wird, um dies tatsächlich zu tun. Insofern sind Streiks wie der an der Westküste am 19. Juni, die gross und kämpferisch waren, äusserst wertvoll. Jeder Arbeiter und jede Arbeiterin erlebt den Kampf seiner oder ihrer eigenen vereinten Klasse gegen einen klar benannten Feind.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Bewegungen, so kämpferisch sie auch sein mögen, allein nicht in der Lage sind, genügend nachhaltigen Enthusiasmus zu erzeugen, um den Kapitalismus zu bedrohen. Wenn sie isoliert bleiben, werden sie nur sehr geringe Auswirkungen haben. Die ILWU führte mutig einen eintägigen politischen Streik durch und demonstrierte damit in der Praxis die Macht der Arbeitenden, die Produktion einzustellen. Kein einziger Schiffscontainer aus China, Japan, Südkorea oder dem gesamten pazifischen Becken kann in die Vereinigten Staaten gelangen, ohne zuvor durch die Hände dieser gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen zu gehen! Wenn sie jedoch weiterhin eine starke Rolle spielen wollen, müssen sie den Kampf ausweiten.

Die Gewerkschaft hat in der jüngsten Vergangenheit viele «Aktionstage» organisiert, darunter einen Streik gegen den Krieg im Irak. Aber sie hat jetzt die Möglichkeit, einen verlängerten Streik durchzuführen und andere Gewerkschaften aufzufordern, das Gleiche zu tun, um die bedingungslose Solidarität der ArbeiterInnnen mit den Schwarzen und allen Unterdrückten zu zeigen. Nur dann wird die Arbeiterklasse ihre eigene Macht konkret erfahren können. Wie Boots Riley erklärte, können wir nicht dabei stehen bleiben: Dies ist erst der Anfang!