Nach einem Jahrzehnt wurde die konservative Regierung von Stephen Harper am 19. Oktober 2015 abgewählt. Gründe dafür sind die wachsende Ablehnung der konservativen Austeritätspolitik und der Wunsch nach Veränderung. Profitiert hat davon aber nicht die linksgerichtete New Democratic Party (NDP), sondern die Liberalen.

 

 

Liberal

184 (+150)

39.5% (+20.6)

Conservative

99 (-67)

31.9% (7.7)

NDP

44 (-59)

19.7% (10.9)

Bloc Quebecois

10 (+6)

4.7% (-1.2)

Green 1

(+0)

3.4% (0.5)

 

 Noch 2011 hatte die NDP bei den federal elections das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Insbesondere in Quebec, wo die NDP seit ihrem Bestehen erst zwei Parlamentsmitglieder stellen konnte, erzielte die Partei mit 59 Sitzen ein ausgezeichnetes Ergebnis.

Ab 2013 begann die Parteiführung nach rechts zu rutschen. Auf den 2013 verstorbenen Jack Layton folgte der ehemalige Liberale Tim Mulclair als Parteivorsitzender. Im selben Jahr beschloss die Partei, den Begriff des Sozialismus und insbesondere den Einsatz für gesellschaftliches Eigentum aus ihren Grundsätzen zu entfernen.

Damit wurde eine historische Chance vertan. Mit der NDP hätte zum ersten Mal eine Arbeiterpartei an der Spitze Kanadas stehen können. Als die Partei im Herbst 2014 vorrübergehend nach links rückte und ein Programm beschloss, das unter anderem einen Mindestlohn von $15, eine Erhöhung von Unternehmenssteuern und die Ablehnung des umstrittenen Antiterrorgesetzes “Bill C-51” beschloss, begann ihr Anteil in den Umfragen wieder zu steigen und erreichte noch im August 2015 ein Rekordhoch von 40%. Damit wäre eine NDP-Regierung möglich gewesen.

Etwa zu dieser Zeit kehrte die Parteibürokratie wieder zu ihrer Politik der Mäßigung zurück. Als die Liberalen unter Justin Trudeau eine Anti-Austeritäts Rhetorik aufgriffen, kritisierte Mulclair sie von rechts und argumentierte für eine Politik des Nulldefizits. Gleichzeitig veröffentlichte die NDP Pläne, die Polizeiausgaben um $250 Milionen zu erhöhen. Als die konkreten Reformpläne der NDP veröffentlicht wurden, kritisierten die Liberalen zurecht, dass diese Reformen auf Grundlage eines ausgeglichenen Budgets frühestens in ein bis zwei Jahrzehnten angegangen werden könnten. Andrew Thomson, ehemaliger Finanzminister in Saskatchewan und NDP-Spitzenkandidat in Toronto, ging soweit zu sagen, dass einige weitere Einsparungen unvermeidlich seien.

 

Alles in allem steht die NDP nach wie vor weit links von den Liberalen. So lehnt die NDP im Gegensatz zu den Liberalen „Bill C-51“ ab und ist gegen die Unterzeichnung der “Transpacific Partnership”, einem Handelsabkommen das die Interessen internationaler Konzerne gegenüber kanadischen Produzenten festigt. Die NDP hat als einzige Partei konsequent Opposition gegenüber der von den Konservativen geschürten Islamophobie geleistet. Trotzdem konnten sich die Liberalen, Kanadas “Natural Government Party”, als Partei des Wandels darstellen. Das ist letztendlich auf die rechte Rhetorik der NDP-Führung und die Anti-Austeritäts-Rhetorik von Trudeau zurückzuführen. Abacus Data, eine Agentur die unter anderem Meinungsumfragen durchführt, schreibt dazu: „Juston Trudeau wird als Anführer von ehrgeizigem Wandel (63%) und Wandel, den man bald spüren wird (60%), wahrgenommen. Thomas Mucair wird eher mit moderatem Wandel (60%), der eher schrittweise kommen wird (59%), identifiziert. Dies gibt dem NDP Leader bei den Wechselwählern einen Nachteil gegenüber Mr. Trudeau.”

Die neue liberale Regierung Kanadas wird eine Zeit lang davon leben können, die schlimmsten Einschnitte der Harper-Regierung zurückzunehmen. Doch früher oder später wird sich die “alte” liberale Partei der Konzerne und Lobbyisten wieder zeigen, und die Realität liberaler Regierungspolitik zu einer neuen Welle der Unzufriedenheit führen.

Die Aufgabe der Sozialisten in Kanada ist es, die NDP bis dahin der Kontrolle ihrer konservativen Führung (die sich nach dem Wahldesaster beharrlich weigert, zurückzutreten) zu entreissen und die Grundlage für einen neuen Aufschwung der NDP mit einem sozialistischen Programm zu schaffen.

 

Felix Mittelberger
Juso Winterthur

 

Der Artikel basiert auf einer längeren Analyse von unseren Kanadischen GenossInnen, welche unter dem Titel « 2015 Canadian Election: Conservative Austerity Rejected. NDP Humiliated » auf www.marxist.com zu finden ist.