Die Schlachthöfe sind seit Monaten die absoluten Corona-Hotspots in Deutschland. Nun sorgt die Firma Tönnies für neue Schlagzeilen.

Mitte Juni 2020 ergaben die in der deutschen Fleischindustrie behördlich angeordneten Massentests auf das SARS Cov-2-Virus, dass sich im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Landkreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) mindestens 730 Arbeiter infiziert haben. Das ist kein Zufall. Die Masse der dort Beschäftigten sind Niedriglöhner (Werkvertragsarbeiter) aus Bulgarien und Rumänien. Eng zusammengepresst arbeiten sie im Akkordtempo an der Schlachtung und Zerlegung der Tiere. Abstandsregelungen können bei diesen Zuständen nicht eingehalten. Nach Feierabend hausen die Kollegen und Kolleginnen „ Werkvertragsarbeiter“ eng zusammengepresst in miesen Unterkünften. Sie leben in einer modernen Form der Sklaverei. An Hygiene und Abstand ist in den Behausungen nicht zu denken.

Der stets lächelnde CDU-Ministerpräsident Laschet versuchte den Massenausbruch von Corona bei Tönnies zunächst mit einer rassistischen Phrase zu erklären. So antwortete er am Mittwoch auf die Frage der ZDF-Journalistin Nicole Dieckmann, wie es denn überhaupt zu den vielen Coronainfizierten bei Tönnies in seinem Bundesland habe kommen können und was das über die bisherigen Schutzmassnahmen aussage: „Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil da Rumänen und Bulgaren eingereist sind und da der Virus herkommt.“

Diese Aussage des CDU-Manns ist blanker Rassismus, auch wenn der dauergrinsende Laschet hinterher versuchte, sich von seiner Aussage zu distanzieren. Es war aber unverhohlener Rassismus. Seine Logik: Wenn es um Profit geht und dieser in Frage gestellt werden könnte, sind meistens Menschen mit anderer Nationalität Schuld, nur nicht der Kapitalist. Das ist die Funktion des Rassismus. Statt Tönnies und den kapitalistischen Ausbeutungsprozess in den Fokus der Kritik zu stellen, sind rumänische und bulgarische Arbeiter selbst „verantwortlich“.

Der Milliardär Clemens Tönnies, dem die Firma zu 50% gehört, hat sich selbst schon offen als Rassist geoutet: Im August 2019 sorgte er mit einer rassistischen Aussage beim Tag des Handwerks in Paderborn für einen Eklat. In einem frei gehaltenen Vortrag zum Thema „Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung“ kritisierte er die Idee, bestimmte Steuern für den Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Tönnies fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf, jedes Jahr 20 Kraftwerke in Afrika zu finanzieren. „Dann hören die [Afrikaner, die Redaktion] auf, die Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, wenn wir die nämlich elektrifizieren, Kinder zu produzieren“, so die Begründung des Fleischfabrikanten.

Dies löste scharfen Protest aus. Daraufhin musste Tönnies, nebenbei auch Aufsichtsratsvorsitzener des Fussballclubs Schalke 04, monatelang die Haupttribüne im Stadion wegen wütender Fanproteste meiden. Seine Entschuldigung für diesen Rassismus war wachsweich. Tönnies wollte und will weiterhin Aufsichtsratschef des Fussballclubs bleiben.

Clemens Tönnies hat in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen gemacht. Ihm werden illegale Preisabsprachen und Steuerhinterziehung mit Cum-Ex-Geschäften vorgeworfen. Der Tönnies-Konzern ist der größte Fleischproduzent in Deutschland. 30% des Schweinefleisches und 20% anderer Fleischprodukte werden dort produziert. In vielen Regionen ist Tönnies Monopolist. Die Gesundheit der Arbeiter zählt dabei nicht. Massenhaft gibt es Verträge mit Subunternehmen, welche günstige Werkvertragsarbeiter bereitstellen. Es geht um nichts anderes als den Maximalprofit. Auch wenn dadurch Corona neu befördert wird.

In den Betrieben der Tönnies-Unternehmen wurden im Jahr 2016 weltweit 20,4 Millionen Schweine geschlachtet, davon 16,2 Millionen in Deutschland. Damit ist der Konzern bei der Schweineschlachtung absoluter Marktführer in Deutschland. Der Jahresumsatz im Geschäftsjahr 2016 betrug rund 6,35 Milliarden Euro.

Clemens Tönnies selbst ist einer der reichsten Männer in Deutschland. Das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf umgerechnet ungefähr 1,4 Milliarden Euro. Damit belegt er Platz 1349 auf der Forbes-Liste der reichsten Personen der Welt und Platz 85 der reichsten Deutschen (Stand April 2019). 2016 schätzte der Spiegel sein Vermögen auf rund 1,1 Milliarden Euro.

Was nun?

Unter dem Druck von Nachrichten über gehäufte Corona-Fälle in deutschen Schlachthöfen hatte sich das Bundeskabinett für ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie ab 2021 (!) ausgesprochen. Doch diese vage Absichtserklärung ist noch kein Gesetz. Es bleibt abzuwarten, wie die Lobbyisten der Fleischindustrie das Gesetz aufweichen. Die Tönnies-Zentrale in Rheda-Wiedenbrück liegt mitten im Wahlkreis von Ralf Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Mal sehen, inwieweit der Ankündigung von Brinkhaus, ein „Weiter so“ könne es bei Tönnies nicht geben, tatsächlich Taten folgen. Tönnies warnte bereits vor einem „generellen Verbot“ von Werkverträgen, weil dies angeblich „massive, strukturell-negative Veränderungen für die Agrarwirtschaft zur Folge“ hätte. Nun macht sich auch selbst die liberale „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) lustig über Arbeitsminister Heil. Sein angedachtes Verbot von Werkverträgen sei „ein längerer Prozess“. Dann fragt die SZ: „Was macht die Politik, wenn statt Werkverträgen Leiharbeiter und Minijobber bei Tönnies arbeiten?“

Rassismus und gesundheitsgefährdende Produktion gehören im Kapitalismus untrennbar zusammen. Alle Arbeiter in der Fleischindustrie werden ausgebeutet. Für alle ist die Produktion gesundheitsgefährdend. Natürlich werden die Werkvertragsarbeiter besonders ausgebeutet und im Bedarfsfall noch rassistisch angegriffen. Gegen Tönnies und alle Fleischkapitalisten muss die Einheit der Arbeiterklasse hergestellt werden. Tönnies und Co. gehören sofort entschädigungslos enteignet. Die Produktion gehört unter Arbeiterkontrolle gestellt. Die Arbeiter und Arbeiterinnen wissen am besten, wie die Produktion bei wesentlich höheren Löhnen auch gesundheitsorientiert zu organisieren ist. Nur das kann wirklich helfen.
Die deutsche Fleischindustrie ist exportabhängig und hat ihre Vorherrschaft vor allem auf dem Rücken der mehrfach extrem stark ausgebeuteten Arbeiter aus Osteuropa ausgebaut. Es geht nicht darum, den stinkenden Leichnam des Kapitalismus reformistisch zu schminken. Statt Corona-Toten muss der Kapitalismus endgültig beerdigt werden. Daher: Tönnies und Co. enteignen!

Max Brym (Der Funke DE)

Ursprünglich erschienen auf www.derfunke.de