Im September findet in Deutschland die Bundestagswahl statt. Die Spitzenkandidaten, die von CDU, Grünen und SPD gestellt werden, versuchen sich zwar gegen aussen voneinander abzugrenzen – ein für die Arbeiterklasse wählbares Programm vertritt allerdings keiner von ihnen.

Was sich im Vorfeld der Bundestagswahlen schon lange bemerkbar machte, ist die Unbeliebtheit aller Spitzenkandidaten. Zurückzuführen ist dies einerseits auf ihre Unfähigkeit, Positionen und Forderungen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung aufzustellen. Andererseits wird offensichtlich, dass die Politik, welche von den Kandidaten betrieben wird, deutliche Angriffe auf die Arbeiterklasse darstellt. 

Eindeutig wird dies bei der Forderung nach einer Erhöhung der CO2-Steuer, wie sie von der CDU und den Grünen aufgestellt wird. Da der profitorientierte Kapitalismus eine umweltfreundliche Produktion nicht zulässt, ist es den bürgerlichen Parteien unmöglich, die Klimakrise wirklich zu bekämpfen. Stattdessen werden die ArbeiterInnen zur Kasse gebeten, ohne dass dadurch der Klimawandel realistisch gestoppt werden könnte.

In der Schwäche des Parteiensystems zeigt sich also die Krise, in der sich das gesamte System befindet. Trotz der unterschiedlichen Forderungen und Zielen ist den Wahlprogrammen eins gemeinsam: Bei den gesellschaftlichen Kernfragen, wie bei der Lösung der Klimakrise oder der sozialen Frage, bleiben die Parteien schwammig. Wo konkrete Lösungsansätze vorgeschlagen werden, handelt es sich um arbeiterfeindliche, ineffiziente Minimalforderungen. Sie haben der Arbeiterklasse nichts zu bieten ausser weiteren Verschlechterungen der Lebensrealität.

Kein Vertrauen in die SPD

Im Unterschied zu den bürgerlichen Parteien beruft sich die SPD auf eine Tradition als Arbeiterpartei. Doch auch das Wahlprogramm der SPD wird in keinem Fall Verbesserungen für die Arbeiterklasse darstellen. Dass sie bei dieser dank ihrer vergangenen Politik stark an Glaubwürdigkeit verloren hat, wird der SPD zusätzlich zum Verhängnis. So hat der Kanzlerkandidat Olaf Scholz jahrelang an der Schuldenbremse und Sozialabbau festgehalten. Da diese Politik für die Arbeiterklasse massive Verschlechterungen bedeutet, ist ihr Misstrauen in die SPD durchaus berechtigt.


Die Frage, auf welche das Wahlprogramm der SPD heruntergebrochen werden muss, lautet daher: Werden die Forderungen, die augenscheinlich der Arbeiterklasse zugute kommen sollen, so umgesetzt, dass sich die finanzielle und soziale Lage der ArbeiterInnen nicht zusätzlich verschlechtert? Die Politik der SPD der letzten Jahrzehnte hat klar gezeigt, dass sie dazu nicht in der Lage ist. Statt die Interessen der Arbeiter standhaft zu vertreten, wurden stets Kompromisse gesucht, welche der bürgerlichen Klasse dienten. Doch für derartige Kompromisse fehlt angesichts der prekären Wirtschaftslage zunehmend der Spielraum. Dass die SPD also ihre Versprechen an die Arbeiterklasse, wie sie im Wahlprogramm formuliert werden, tatsächlich durchsetzen wird, ist unwahrscheinlich.
Entweder werden keine genauen Lösungskonzepte für ihre Ziele vorgestellt, wie dies bei ihrem Versprechen nach flächendeckenden, kostenlosen Kitas der Fall ist, oder die Forderungen werden im Vorfeld an Konditionen geknüpft, welche gegenüber der bürgerlichen Parteien von der SPD nicht durchgesetzt werden können. 

Was tun?

Seit Jahren zeichnet sich in Deutschland insbesondere bei der Jugend die zunehmende Radikalisierung und antikapitalistische Tendenzen ab. Beim Wahlverhalten zeigt sich ein ähnliches Bild: Bei jungen Wählern ist die bürgerliche CDU so unbeliebt wie noch nie. Stattdessen werden insbesondere von Erstwählern die Grünen favorisiert. Allerdings müssen wir uns auch von dieser Partei klar abgrenzen: Das Wahlprogramm der Grünen wird sowohl für die heutige Arbeiterklasse als auch für die zukünftigen Lohnabhängigen eine deutliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen darstellen. 

Deutlicher denn je zeigt der diesjährige Wahlkampf, dass die etablierten Parteien keine Politik betreiben, in deren Zentrum die Interessen der ArbeiterInnen stehen. Die Radikalisierung der Jugend stellt ein starkes Potenzial dar, allerdings müssen wir unsere Position klar kommunizieren: In der Wahl, wie sie vor uns steht, gibt es für die Arbeiterklasse keinen Sieg. Was getan werden muss, ist, unser sozialistisches Programm in die Arbeiterklasse und in die Jugend zu tragen. Aus vergangenen Arbeiter- und Jugendbewegungen müssen wir den Schluss ziehen, dass Illusionen in die leeren Versprechungen von reformistischen Kräften die radikalisierten Schichten in der Jugend und der Arbeiterklasse zu Pessimismus und Desillusionierung führen. Dem müssen wir entschieden entgegenwirken. Die einzige Lösung, welche die Arbeiterklasse befreit und der Jugend eine lebenswerte Zukunft bieten kann, ist der Umsturz des kapitalistischen Systems und die Errichtung eines sozialistischen Arbeiterstaats. 

Rebekka Ernst, Marxist Society Uni Basel
09.09.2021

Bildquelle: Tim Reckmann