Nicht erst seit Ausbruch der aktuellen Krise geistert das Gespenst des sogenannten New Deal durch politische Programme und Presseartikel. In den vergangenen Wochen wurde allen klar: Es gibt kein weiter wie bisher. Was hat der New Deal da zu bieten?

Von Naomi Klein bis zum Chef der OECD wird ein New Deal, ähnlich dem in den USA der 1930er Jahre, als möglicher Ausweg aus der Krise vorgeschlagen. Diese positiven Bezugnahmen von Bürgerlichen und ReformistInnen sind vielsagend. Sie drücken den zutiefst kapitalistischen Charakter des historischen New Deal wie auch den Bankrott des Reformismus in der Krise aus.

Der New Deal – Ausdruck eines kranken Systems

Als Roosevelt 1933 als Präsident eingeschworen wurde, hatten die USA Jahre wirtschaftlicher und sozialer Krise hinter sich. Die laissez-faire Politik seines Vorgängers, der auf eine ‘spontane’ Heilung des Kapitalismus setzte, war gescheitert. Seit Ausbruch der Krise 1929 war die Industrieproduktion um beinahe die Hälfte gefallen, die Arbeitslosigkeit hatte sich verzehnfacht und betraf einen Viertel aller ArbeiterInnen. Dieser anhaltende Zusammenbruch bedrohte die Grundlagen selbst des amerikanischen Kapitalismus.

An der Macht ging die Roosevelt-Administration ohne vorgefertigten Plan vor. Der New Deal war kein eigentliches Programm, sondern verfolgte empirisch das Ziel, den Kapitalismus zu retten. Der ‘freie Markt’ war nicht in der Lage, die Profitbedingungen wiederherzustellen. Der Kapitalismus musste durch ein gewisses Mass an Planung stabilisiert werden. Zuerst sanierte die US-Regierung die Banken und vergab an Bauern Kredite zur Brachlegung ihrer Felder und zur Zerstörung ihres Viehs, während Millionen ArbeiterInnen hungerten. In der Industrie profitierten besonders die Grosskonzerne. Ab 1933 wurden unter staatlicher Aufsicht rund 500 Branchen-Kartelle gegründet, die Preis- und Produktionsabsprachen vornahmen. In diesen waren die Kräfteverhältnisse zugunsten der Grosskonzerne verteilt und die ‘Selbstregulierung’ war auf deren Interessen massgeschneidert. Dies führte zu einer temporären Stabilisierung der Profite des US-Kapitalismus und verstärkte die Macht der Grosskapitalisten weiter.

Klassenkampf im New Deal – Zähmung einer aufstrebenden Arbeiterschaft

Arbeitsbedingungen waren zunächst weitgehend aus New Deal-Gesetzen ausgeklammert. Dies erstaunte kaum, führte die Arbeiterbewegung bis 1934 doch ein «geisterhaftes Dasein». Nur unter dem Druck aufkommender Unruhen unter Arbeitslosen und Streikbewegungen wurden öffentliche Infrastruktur-Projekte eingeführt, welche Millionen von Arbeitslosen beschäftigten. Die Regierung sicherte den ArbeiterInnen ferner gewerkschaftliche Organisation im Betrieb und Kollektivverhandlungen zu. Sie wollte die sozialen Verhältnisse stabilisieren und mittels einer Ankurbelung des Konsums einen ‘trickle-up’ Effekt erreichen. Gleichzeitig sollte dies die Arbeiterschaft besänftigen.

Diese Massnahmen wirkten widersprüchlich. Der Versuch der Regierung, die Märkte durch steigende Löhne zu stabilisieren, war vielleicht im Interesse des Kapitalismus als Ganzes, für einzelne Kapitalisten sind dies jedoch nur Kosten, welche ihre Profite schmälern. In den auf Branchenebene beschlossenen Arbeitsbedingungen waren entsprechend Schlupflöcher eingebaut, welche die Löhne tief und die Arbeitstage lang hielten. Mit vergrösserten Rechten ausgestattet, wurde die Stimmung unter den Lohnabhängigen angesichts der stagnierenden Arbeitsbedingungen aber immer radikaler. Dies mündete in den kommenden Jahren in Streiks mit Millionen Teilnehmenden, angeführt durch Trotzkisten, Kommunisten oder anderen revolutionären Strömungen. Unter dem Druck dieser Bewegung radikalisierte sich die Gewerkschaftsbewegung. Die Verabschiedung des Social Security Act von 1935, der eine Arbeits- und Altenversicherung einführte und das US-Sozialsystem bis heute prägt, war einzig möglich, dank grossangelegten Kämpfen der Arbeitenden.

Keine Widersprüche gelöst

Innert fünf Jahren butterte die Regierung mehr Geld in Umlauf als alle vorherigen bis zum Ersten Weltkrieg. Der New Deal schuf nur eine künstliche soziale und wirtschaftliche Stabilität. Das Wachstum blieb zu grossen Teilen unter dem langjährigen Durchschnitt und das Pro-Kopf-Einkommen tiefer als 1929. Der schärfste Ausdruck der Unfähigkeit des New Deal, die Krise zu lösen, war ein neuerlicher Einbruch 1937. Unter dem Druck der Grosskapitalisten, die sich erfolgreich reorganisiert und die Profite auf Betriebsebene wieder erhöht hatten, wurden die staatlichen Ausgaben gekürzt. Dies führte sofort zu einem erneuten Einbruch des US-Kapitalismus. Nach fünf Jahren war der New Deal als Wirtschaftsprogramm tot und wurde, wie George Novack schrieb, durch den «War Deal» ersetzt.

Durch die Institutionalisierung der Kollektivverhandlungen hatte Roosevelt die Gewerkschaftsbürokratie an den bürgerlichen Staat gebunden, während letzterer ab 1938 gegenüber der Linken immer repressiver auftrat. Der New Deal rettete den US-Kapitalismus insofern, als er die Radikalisierung der Arbeiterschaft entschärfte, nicht indem er die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus löste. Die Wirtschaftskrise war nicht ein bloss amerikanisches Phänomen und konnte auch nicht innerhalb nationalstaatlicher Grenzen gelöst werden. Daher erwies sich der Krieg, die Zerstörung von Produktivkräften und die Neuordnung des internationalen wirtschaftlichen Kräfteverhältnis im Interesse des US-Kapitals, als einziger Ausweg aus der Grossen Depression.

Für etwas wirklich Neues – Brechen mit dem System

Roosevelt handelte mit seinem New Deal nicht im Interesse der Arbeitenden, sondern als ideeller Gesamtkapitalist und feuerte dabei die Konzentration des Reichtums an. In einer Rede 1936 war Roosevelt dahingehend transparent: «Niemand in den USA glaubt entschiedener als ich an das Modell der Privatwirtschaft, des Privateigentums und des privaten Profits. Keine Regierung in der Geschichte unseres Landes hat mehr dafür getan.» Das tönt vielmehr nach Trump als nach Sanders. Zu realen Errungenschaften kam es nicht dank Roosevelt, sondern im Kampf von Millionen ArbeiterInnen gegen ihn und sein System.

Der New Deal löste die Krise nicht. Im Kapitalismus haben Konjunktur-Ankurbelungsprogramme nur eine Wirkung, wenn sie die Profitbedingungen für die Unternehmer dauerhaft verbessern, wie der historische New Deal verdeutlicht. Dies erfordert aber in letzter Analyse Zerstörung gesellschaftlichen Reichtums und härtere Ausbeutung der Lohnabhängigen.

Die Propagierung eines New Deal 2.0 durch ReformistInnen heute ist eine historische Verklärung des Originals und der gegenwärtigen Bedingungen. Die reformistische Logik, für reale Verbesserungen brauche es einen gesunden Kapitalismus, verkehrt sich zwangsläufig in ihr Gegenteil. Denn in der Krise ist ein ‘gesunder’, d.h. profitabler Kapitalismus nur auf Grundlage schärferer Ausbeutung der Lohnabhängigen möglich. Die Pirouette ist abgeschlossen und war weder elegant noch den Interessen der Arbeitenden zweckdienlich: Die Forderung eines neuen New Deal enthüllt sich als Unterordnung der Interessen der Arbeitenden unter die des Kapitals. Heute wie in den 1930ern werden reale Verbesserungen oder blosser Selbstschutz für die Lohnabhängigen nur durch einen Kampf erreicht, welcher konsequent auf der Ausdehnung ihrer gesellschaftlichen Macht als Klasse baut. Solche heben das Selbstvertrauen der Lohnabhängigen für weitere, grössere Kämpfe. Ein fortschrittlicher Ausweg aus der Krise ist nur möglich durch den revolutionären Kampf der Arbeitenden selbst.

Magnus M.
ASEMA Genève

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