Nach revolutionären Kämpfen gegen die Militärregierung im Sudan kam es im Juli zu einem Deal zwischen dem Militär und der Opposition. Kein Problem wurde gelöst, der Kampf wird weitergehen!

Von sich verschlechternden Lebensbedingungen getrieben, begannen die Massen des Sudans im Dezember 2018 einen heroischen Kampf gegen das brutale al-Bashir-Regime. Dieser Kampf entwickelte sich zu einer Revolution der Unterdrückten. Er beinhaltete die Absetzung al-Bashirs, zwei Generalstreiks und das Massaker vom 3. Juni mit über hundert ermordeten Demonstrierenden. Dieser revolutionäre Prozess wurde vorerst mit dem Deal zwischen dem Übergangsmilitärrat (TMC) und der oppositionellen Forces for Freedom and Change (FFC) im Juli beendet. 

Wo liegt die Macht?

Für das herrschende sudanesische Regime wurde es nach Ausbruch der Proteste immer schwieriger zu herrschen. Einerseits konnte das Militär nicht gegen die Protestierenden eingesetzt werden. Die untersten Ränge des Militärs solidarisierten sich immer wieder mit den Protesten. Während des Juni-Massakers nahmen sie Protestierende in Schutz vor reaktionären Milizen. Das Regime hätte durch den Einsatz des Militärs riskiert, dieses entlang von Klassenlinien zu spalten und zu zerbrechen.

Andererseits begann sich aber auch die herrschende Clique selbst in entgegengesetzte Lager zu spalten. Während ein Teil auf harte Repression setzte, pochte ein anderer auf Scheinzugeständnisse. Erstere Taktik peitschte die Revolution nur noch weiter vorwärts: Auf das Juni-Massaker antwortete die Revolution mit dem zweiten Generalstreik. Letztere Taktik wurde erstmals bei der Absetzung al-Bashirs durch das Militär angewandt. Doch auch der Versuch, durch Scheinreformen «von oben» die Revolution «von unten» auszubremsen, ging nach hinten los: er steigerte nur die Entschlossenheit der Massen.

Die arbeitende Bevölkerung baute als Mittel des Kampfs ihre eigenen Machtstrukturen auf: verschiedene Komitees, die wichtigsten davon waren Nachbarschafts- und Streikkomittees. Diese organisierten das alltägliche Leben in den Städten und die Proteste und Streiks. Diese Komitees stellten erste Keime eines neuen revolutionären Staates dar. Sudan sah sich in einer Doppelmachtsituation wieder: während die arbeitenden Massen tatsächlich das Land auf den Strassen kontrollierten, bestand das alte Regime mit seinem Staat, todkrank röchelnd, weiter.

Eine verpasste Chance

Die Generalstreiks stellten die Frage, wer wirklich die Macht in den Händen hält, aufs Schärfste. Die Machtdemonstration der Arbeiterklasse zeigte, dass ohne diese kein Flugzeug fliegt, kein Laden öffnet und weder ein Geldschein die Bank noch ein Container den Hafen verlässt. Doch die Frage wurde nicht beantwortet.

Die Führung der FFC hätte die Komitees auf nationaler Ebene verbinden und so die alten Institutionen – inklusive dem TMC – durch revolutionäre ersetzen können. Hierfür hätten die Soldaten, die mit der Revolution sympathisierten, gewonnen werden müssen. Damit wäre zugleich dem Staatsapparat des alten Regimes ein heftiger Schlag versetzt worden, und die Revolution hätte sich die Mittel zur Verteidigung gegen die konterrevolutionären Milizen beschafft.

In einer aufs höchste zugespitzten revolutionären Situation heisst es: entweder man leitet den Aufstand ein und übernimmt die Macht, oder man fällt zurück in die Arme des alten Regimes und verrät die Revolution. Doch der FFC fehlte es an genau dieser revolutionären Perspektive: Sie beharrte auf Verhandlungen mit dem TMC. Der daraus folgende Kompromiss hat die Machtfrage vorübergehend im Sinn des alten Regimes beantwortet. Er hat dieses gerettet, indem es ihm einen zivilen Anstrich verliehen und so einen Teil der Massen vorläufig getäuscht hat.

Ungelöste Probleme – die Revolution geht weiter

Doch zwischen der Revolution und deren Schlächtern kann es keinen Kompromiss geben. Die herrschende Klasse verfolgt mit dem Juli-Deal dieselbe Taktik wie mit der Absetzung al-Bashirs: die Massen täuschen, Zeit gewinnen und sobald wie möglich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Konterrevolution übergehen.

45 % der SudanesInnen leben unter der Armutsgrenze, offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 20 % und die Inflation in den letzten Jahren hat die verbleibende Kaufkraft pulverisiert. In der jetzigen kapitalistischen Weltkrise kann auf Basis des Kapitalismus keine stabile Lösung gefunden werden. Weder ist das verhasste Regime gefallen, noch sind die sozialen Probleme gelöst. Der Sudan bleibt ein Pulverfass: die Periode von Konterrevolution und Revolution ist noch nicht beendet.

Bild: Hossam el-Hamalawy