[dropcap]M[/dropcap]assenkündigung für RentnerInnen, Abweisung auswärtiger Obdachloser an der Notschlafstelle, generelle Wohnungsnot und zunehmende Obdachlosenzahlen. Oder anders gesagt: Basels Wohn- und Sozialpolitik. Die rot-grün-regierte Stadt ist kein Einzelfall in der Schweiz, doch in den vergangenen Wochen häuften sich alarmierende Schlagzeilen. Eine Auseinandersetzung mit der Wohnungsfrage am Rheinknie.

Bild © Mieterverband Basel via FB

Das Mehrfamilienhaus an der Mülhauserstrasse 26 in Basel, die Müli 26, bietet ihren BewohnerInnen relativ günstigen Wohnraum. Eine 4-Zimmerwohnung kostet um die 970.- Franken. Besitzerin der Liegenschaft ist die Pensionskasse des Kantons Basel-Stadt, die dem Finanzdepartement von SP-Regierungsrätin Eva Herzog untersteht.

2016 wurde entschieden, dass die Renditeaussichten mit diesen «niedrigen» Mieten nicht ausreichten und deshalb saniert werden sollte. Den BewohnerInnen wurde darauf eine Kündigung ausgesprochen. Das Haus bietet keinen speziellen Komfort und ist nach gängigen Standards sanierungsbedürftig. Doch das Vorgehen trifft die BewohnerInnen doppelt. Neben den bezahlbaren Mieten sind für sie auch die sozialen Netze von grosser Bedeutung. Die Strukturen im Haus ersetzen in manchen Fällen die Alterspflege oder gar das Heim.

Basels Sozial- und Wohnbaupolitik
Die Müli 26 ist dabei nur der jüngste Fall einer Serie von Massenkündigungen. In den letzten 11 Jahren wurden laut MieterInnenverband (MV) über 120 solcher ausgesprochen. Herzogs Kollegen, Baudirektor Hans-Peter Wessels und der Vorsteher des Wirtschafts- und Sozialdepartment Christoph Brutschin (beide ebenfalls SP), handeln ähnlich.

Basel verzeichnet steigende Obdachlosenzahlen (SRF: Echo der Zeit). Statt offensiv dagegen vorzugehen und Hand zu bieten, wies Brutschins Notschlafstelle im Dezember «auswärtige» Obdachlose ab, obschon Betten frei blieben. Auch bezahlbarer Wohnraum wird nur sehr beschränkt gebaut. Basels niedrige Wohn-Leerstandsquote von 0,4% (August 2016) liegt zwar im Rahmen Schweizer Grossstädte, weist aber klar auf Wohnungsnot hin.

Wohnen in der Schweiz
In der Schweiz existiert nur ein schwacher MieterInnenschutz. Die vorteilhafte Rechtslage haben die Kapitalisten schamlos ausgenutzt. Seit der Immobilienkrise der 1990er Jahre hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt verschlechtert. Die Renditen sind umkämpft und werden mit allen Mitteln zu steigern versucht. Bekannte Wege dazu sind die Weitervermietung mit beträchtlichen Mieterhöhungen oder sogenannte Aufwertungen.

Der MV schrieb kürzlich, dass die Entwicklung des Reallohns (Kaufkraft) praktisch nicht stattfinde, respektive nahezu negativ sei. Von 2000 bis 2014 frassen 
steigende Mieten und Krankenkassenprämien den Lohnzuwachs wieder weg. Das verfügbare Monatseinkommen nach 
Mieten und Krankenkassenprämien stieg für die untersten 10% um lediglich 40.- Franken (Verheiratete mit zwei Kindern) und sank für Alleinstehende sogar um 40.-. Bei den mittleren Einkommen gab es Steigungen von 320.- resp. 60.- Franken (Zahlen: SGB).

Den grösseren Anteil an dieser Entwicklung haben die Krankenkassenprämien, die seit 1997 um 99% gestiegen sind. Hinzu kommen steigende Belastungen über Steuern und Gebühren für normal und niedrig Verdienende. Wobei die BewohnerInnen von Grossstädten und vor allem von Stadtkantonen besonders schlecht dastehen. Und natürlich sind auch die Mieten gestiegen: von 2005 bis 15 im Durchschnitt um 29%, während die Hypothekarzinsen auf historischem Tiefstand sind.

Die Schweiz ist dabei eine Besonderheit: Nirgends in Europa leben so wenige Leute in Wohneigentum wie in der Schweiz. 2014 waren es nur 37,4%, halb so viele wie in der EU. In Basel-Stadt sind es läppische 16%. Die restlichen 84% der Basler Bevölkerung sind der Immobilienspekulation und deren Nebeneffekten ausgesetzt.

Wohnen in Basel
In den 70er-Jahren erreichte Basel mit 230’000 EinwohnerInnen den höchsten Bevölkerungsstand. Heute sind es 175’000. Da der Quadratmetergebrauch pro Kopf seit 1972 von 32 auf 42 stieg, gab es 2015 trotz Höchststand der Wohnfläche (8’192’840 m2) Wohnungsnot.

Denn gebaut wird weiterhin viel. Die Bauwirtschaft macht in der Schweiz ungefähr 10% des BIP aus. 2015 war für den Wohnungsbau in Basel sogar ein Rekordjahr: 635 Wohnungen kamen netto hinzu. 2016 waren es noch 422. Das liegt noch immer über dem 10-Jahres-Durchschnitt von 280. Besonders interessant ist dabei, wer baut. 40% gehören Unternehmen der Immobilienbranche und 33% wurden von Fonds- oder Investmentgesellschaften in Auftrag gegeben. Nur 2% der Neubauten sind Genossenschaftswohnungen. Wessen Interessen diese Neubauten bedienen ist klar.

Eine Betrachtung der Mietpreise für Dreizimmerwohnungen verstärkt die Aussagekraft noch: Der Basler Durchschnitt liegt bei 1177 Franken. Für Genossenschaftswohnungen sind es allerdings 850 resp. 2144 Franken für Neubauten. Offensichtlich lassen sich profitorientierte ImmobilienbesitzerInnen, aber natürlich auch die städtische Pensionskasse unter sozialdemokratischer Aufsicht, die Renditen nicht von Genossenschaften streitig machen. Genau das hatte die Juso-Initiative «Wohnen für alle» zum Ziel gehabt – eine schrittweise Vergrösserung des Genossenschaftsanteils.

Stadtmarketing
Wie sich Basel entwickelt ist «ChefInnensache». Die Stadtentwicklung und das Stadtmarketing sind in der Regierung beim Präsidialdepartment angesiedelt. Hier werden die groben Pläne gefasst und die Leitplanken gesetzt. In der kritischen Stadtforschung wird die Schaffung von solchen Strukturen als ein Herzstück der «Neoliberalisierung» von Städten genannt. Sie kennzeichnen, dass urbane Räume in erster Linie der Kapitalverwertung dienen und dies kritiklos akzeptiert oder gar unterstützt wird.

Die Folgen der Basler Stadtentwicklung sind dabei alles andere als sozial. Die Tageswoche hat im Vorfeld der «Wohnen für alle»-Abstimmung die Frage aufgeworfen, was der erhöhte Quadratmeterbedarf aussage. Entweder eine erfolgreiche Sozialpolitik oder «Immer weniger arme Menschen finden eine zahlbare Wohnung in der Stadt und weichen deshalb in umliegende Gemeinden aus» (Februar 2015).

Über die vielfältigen Sozialleistungen der Stadt ist es zwar möglich «Subjekthilfe» – Unterstützung für Individuen und Haushalte, ohne Ursachen zu bekämpfen – zu erhalten, die finanziellen Druck verringert. Doch was bedeutet es, auf Subjekthilfe angewiesen zu sein? Man wird zum sozio-ökonomischen Striptease aufgeboten: Völlige Transparenz über Finanzsituation und Lebensweise sind der Preis für die soziale Sicherung.
Wie bei Schröder und Blair dient hier ‘fördern und fordern’ als Leitgedanken. Anders gesagt: Subjekthilfe ist Sozialdisziplinierung. Angesichts dessen kann von einer erfolgreichen Sozialpolitik im rot-grünen Basel keine Rede sein. Steigende Sozialhilfe-Bezugsquoten in den Agglomerationsgemeinden stützen dagegen die Verdrängungsthese der Tageswoche.

So könnte man die Behauptung aufstellen, die rot-grüne Regierungsmehrheit betreibe die effizientere Verdrängungspolitik als ihre bürgerlichen RatskollegInnen. Während deren Holzhammermethoden zur Räumung die Polizei aufbieten lassen, setzen SP-Exekutive eher eine Mediationsfachperson ein.

Die Durchsetzung der Kapitalinteressen ist in beiden Konstellationen nicht verhandelbar. Aber das ständige Betonen und Vorschieben von sozialer, kultureller Vielfalt ist ein völlig anderer Zugang als die brachiale Verdrängung durch Zwangsräumung.

Militanter Protest findet viel weniger Akzeptanz, wenn Stadtentwicklung als Allgemeininteresse verkauft wird. Diese 
klassenkollaboratorische Praxis ist wohl so erfolgreich, dass Bürgerliche sie gleichfalls anwenden oder den SP -Exekutiven den Platz nicht ernsthaft streitig machen.

Neue Felder fürs Kapital
Die zunehmende Rücksichtslosigkeit im Immobilienmarkt erklärt der Geograf David Harvey als Folge niedriger Profite im Kerngeschäft des Industriekapitals. Im Kapital machte Marx eine Unterteilung von Kapitalkreisläufen. Der erste dreht sich um die Produktion von Produktionsmitteln (Maschinen etc.) und der zweite um die Reproduktion. Dieser umfasst Wohnen, Essen und sonstiger Konsum, den die Lohnabhängigen benötigen, um ihre Arbeitskraft zu erhalten und zu regenerieren.

Stagniert der Absatz für neue Produktionsanlagen, investieren die Kapitalisten verstärkt in den Reproduktionssektor. Diese Bewegung erfasste die Weltwirtschaft seit den 1990er-Jahren. Die Wiedereinführung des Kapitalismus im Ostblock und gigantische (Konsum-) Kredite konnten diese Überproduktionskrise bis 2007/08 hinausschieben.

Konsum der Lohnabhängigen ist, in den Augen des Kapitals, nur produktiv, um die Arbeitskraft wiederherzustellen. „Was der Arbeiter ausserdem zu seinem Vergnügen verzehren mag, ist unproduktive Konsumation“ (MEW 23: S.583), denn es kann nicht kapitalistisch verwertet werden.

In anderen Worten: Eine Arbeiterin liefert nicht in dem Masse mehr Wert zutage, wie ihre Lebensqualität steigt. Der Klassenkampf findet folglich nicht nur am Arbeitsplatz statt, sondern auch beim Handel mit Konsumgütern. Zins, Wucher und Spekulation sind die Mittel des Kapitalisten, einen Vorteil aus dem Handel zu ziehen.

Immobilien eignen sich besonders gut für Spekulation und Wucher. Doch das Verhältnis von Hausbesitzenden und MieterInnen ist keine blosse Kopie von Kapital & Arbeit. Es geht nicht um die spezielle Ware Arbeitskraft. Was stattfindet ist ein Handel, wie er zwischen Kapitalisten stattfinden könnte: Ware (Geld) gegen Ware (Wohnraum).

Was fordern?
In Konflikten wie bei der Müli 26 geht es in erster Linie um den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum. Damit werden aber nur die Tagesinteressen im Falle der Verdrängung durch Aufwertung bedient, während die systematischen Probleme bleiben. Denn vom Klassenstandpunkt der Lohnabhängigen reicht es nicht aus, Wohnraum lediglich zur Erneuerung der Arbeitskraft zu fordern. Es soll als Grundrecht erachtet werden, über einen Ort zur Erholung sowie der Privatsphäre zu verfügen. Der Verwertungsdrang des kapitalistischen Marktes ist absolut unfähig, das zu gewährleisten. Höhere Mieten versprechen mehr Profit und niedrige Mieten bedeuten Profitausfälle.

Im Aktionsprogramm der Juso Schweiz stehen korrekterweise folgende Forderungen, welche einen weiterführenden politischen Kampf ermöglichen sollen:

  • die kostendeckende Miete und Preiskontrollen
  • einen breitangelegten staatlichen Bau von gemeinnützigen Wohnungen und ein Verkaufsverbot von staatlichem Land
  • die Verstaatlichung und der Ausbau von ungenutzten, leerstehende Liegenschaften zu günstigem Wohn- und Kulturraum

Uns muss klar sein, dass ein Ende des Wohnungsmarktes für sich den Kapitalismus nicht überwindet. Es wäre lediglich ein Schutz vor einem besonders perfiden Zweig des krankenden Systems. Die dazu notwendige politische Dynamik kann sich deshalb nicht auf den Wohnungsmarkt beschränken, sondern muss zur Vergesellschaftung und demokratischen Planung der gesamten Wirtschaft übergehen.

Flo Degen & Michael Wepf
Juso Baselland & Basel-Stadt

 

Anmerkung: Bei unseren Recherchen für diesen Artikel sind wir einer falschen Darstellung der BaZ und bz gefolgt. Das SRF hat später eine unbestrittene Darstellung geliefert. Auswärtige Obdachlose werden nicht grundsätzlich abgewiesen, erst wenn sie die Notschlafstelle mehrere Tage in Anspruch nehmen wollen: „In einer eiskalten Nacht sollen sie einmal auf der Notschlafstelle bleiben dürfen, findet etwa Regierungsrat Christoph Brutschin. Dass sie mehrere Tage hintereinander dort zu übernachteten und die Notschlafstelle als Hotel benutzten, komme aber nicht in Frage.“


 

Engels: Wohnungsfrage
Marx’ Mitstreiter Friedrich Engels setzte sich 1873 mit der Wohnungsfrage (MEW, Bd. 18.) theoretisch auseinander. Formen der «Gentrifizierung» strich er schon für das damalige Paris, London und Manchester heraus. Folgend einige wichtige Passagen:

Gentrifizierung und Verdrängung im 19. Jahrhundert

«Die Ausdehnung der modernen grossen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhn, drücken ihn vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andre. Dies geschieht vor allem mit zentral gelegenen Arbeiterwohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung, nie oder doch nur äußerst langsam über ein gewisses Maximum hinausgehn kann. Man reißt sie nieder und baut Läden, Warenlager, öffentliche Gebäude an ihrer Stelle. […] Das Resultat ist, dass die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, dass Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind, denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen […] Diese Mietsnot trifft den Arbeiter also sicher härter als jede wohlhabendere Klasse; aber sie bildet, ebenso wenig wie die Prellerei des Krämers, einen ausschließlich auf die Arbeiterklasse drückenden Übelstand und muss, soweit sie die Arbeiterklasse betrifft, bei gewissem Höhegrad und gewisser Dauer, ebenfalls eine gewisse ökonomische Ausgleichung finden.» (S. 215).

Zum Verhältnis von HauseigentümerIn und MieterIn

«Bei der Wohnungsfrage haben wir zwei Parteien einander gegenüber, den Mieter und den Vermieter oder Hauseigentümer. Der erstere will vom letztern den zeitweiligen Gebrauch einer Wohnung kaufen; er hat Geld oder Kredit – wenn er auch diesen Kredit dem Hauseigentümer selbst wieder zu einem Wucherpreise, einem Mietzuschlag, abkaufen muss. Es ist ein einfacher Warenverkauf; es ist nicht ein Geschäft zwischen Proletarier und Bourgeois, zwischen Arbeiter und Kapitalisten; der Mieter – selbst wenn er Arbeiter ist – tritt als vermögender Mann auf, er muss seine ihm eigentümliche Ware, die Arbeitskraft, schon verkauft haben, um mit ihrem Erlös als Käufer des Niessbrauchs einer Wohnung auftreten zu können, oder er muss Garantien für den bevorstehenden Verkauf dieser Arbeitskraft geben können. Die eigentümlichen Resultate, die der Verkauf der Arbeitskraft an den Kapitalisten hat, fehlen hier gänzlich. Der Kapitalist lässt die gekaufte Arbeitskraft erstens ihren Wert wieder erzeugen, zweitens aber einen Mehrwert, der vorläufig und vorbehaltlich seiner Verteilung unter die Kapitalistenklasse, in seinen Händen bleibt. Hier wird also ein überschüssiger Wert erzeugt, die Gesamtsumme des vorhandenen Werts wird vermehrt. Ganz anders beim Mietgeschäft. Um wieviel auch der Vermieter den Mieter übervorteilen mag, es ist immer nur ein Übertragen bereits vorhandenen, vorher erzeugten Werts, und die Gesamtsumme der von Mieter und Vermieter zusammen besessenen Werte bleibt nach wie vor dieselbe. Der Arbeiter, ob seine Arbeit vom Kapitalisten unter, über oder zu ihrem Wert bezahlt wird, wird immer um einen Teil seines Arbeitsprodukts geprellt; der Mieter nur dann, wenn er die Wohnung über ihren Wert bezahlen muss. Es ist also eine totale Verdrehung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter, es mit dem zwischen Arbeiter und Kapitalisten gleichstellen zu wollen. Im Gegenteil, wir haben es mit einem ganz gewöhnlichen Warengeschäft zwischen zwei Bürgern zu tun, und dies Geschäft wickelt sich ab nach den ökonomischen Gesetzen, die den Warenverkauf überhaupt regeln, und speziell den Verkauf der Ware: Grundbesitz. Die Bau- und Unterhaltskosten des Hauses oder des betreffenden Hausteils kommen zuerst in Anrechnung; der durch die mehr oder weniger günstige Lage des Hauses bedingte Bodenwert kommt in zweiter Linie; der augenblickliche Stand des Verhältnisses zwischen Nachfrage und Angebot entscheidet schliesslich» (S. 216).

Lösung der Wohnungsfrage

«Wie ist nun die Wohnungsfrage zu lösen? In der heutigen Gesellschaft gerade wie eine jede andere gesellschaftliche Frage gelöst wird: durch die allmähliche ökonomische Ausgleichung von Nachfrage und Angebot, eine Lösung, die die Frage selbst immer wieder von neuem erzeugt, also keine Lösung ist. Wie eine soziale Revolution diese Frage lösen würde, hängt nicht nur von den jedesmaligen Umständen ab, sondern auch zusammen mit viel weitergehenden Fragen, unter denen die Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land eine der wesentlichsten ist. Da wir keine utopistischen Systeme für die Einrichtung der künftigen Gesellschaft zu machen haben, wäre es mehr als müssig, hierauf einzugehn. Soviel aber ist sicher, dass schon jetzt in den großen Städten hinreichend Wohngebäude vorhanden sind, um bei rationeller Benutzung derselben jeder wirklichen „Wohnungsnot“ sofort abzuhelfen. Dies kann natürlich nur durch Expropriation der heutigen Besitzer, resp. durch Bequartierung ihrer Häuser mit obdachlosen oder in ihren bisherigen Wohnungen übermäßig zusammengedrängten Arbeitern geschehen, und sobald das Proletariat die politische Macht erobert hat, wird eine solche, durch das öffentliche Wohl gebotene Massregel ebenso leicht ausführbar sein wie andere Expropriationen und Einquartierungen durch den heutigen Staat» (S. 226).