Postangestellte haben mit schlechten Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Nun wird der langjährige SP-Präsident und ehemalige Post-Gewerkschaftspräsident Levrat oberster Pöstler. Geht beim gelben Riesen jetzt die Post ab?

Stress, Druck und mangelnde Sicherheit. So schildert uns ein Arbeiter der Post Udorf seinen Arbeitsalltag. Auf einen Arbeiter entfällt Arbeit für zwei, und die immense Arbeitslast muss immer schneller erledigt werden, so dass keine Rücksicht auf Gesundheit oder Sicherheit genommen werden kann. Die stete Gefahr und die Überlastung der Arbeiter gipfelt in wöchentlichen Eskalationen und sogar Schlägereien. Abhängig von Hautfarbe, Muttersprache und Herkunft werden die ArbeiterInnen unterschiedlich vom Management behandelt, wie uns der Postarbeiter erzählt. Gewisse bekommen zum Beispiel bevorzugt Ferien. Mit dieser rassistischen Spaltung der ArbeiterInnen festigt das Management seine Herrschaft im Betrieb. Nun wird Levrat, der ehemalige Präsident der Post-Gewerkschaft, Postchef. Was bedeutet das für die ArbeiterInnen, die unter inakzeptablen Arbeitsbedingungen schuften?

Effizienzsteigerung und Rationalisierung

Im Rahmen einer Offensive der Bosse in den 90er-Jahren wurden die PTT («Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe») aufgespalten: Die lukrative Telecom wurde teilprivatisiert (Swisscom) und die Post «liberalisiert». Konkret bedeutet dies, dass die Post als AG wie ein kapitalistisches Unternehmen geführt wird; sie muss Gewinn erzielen und dem Staat Dividenden auszahlen. Das Postmonopol wird zunehmend aufgehoben und die Post immer mehr dem Konkurrenzkampf mit Privatanbietern unterworfen. All dies zwingt die Post zu Effizienzsteigerung und Rationalisierung.

Bereits vor der Coronapandemie hatte sich der Konzerngewinn seit 2010 mehr als halbiert. Diese Situation hat sich im Pandemiejahr 2020 nochmals verschärft.  «Effizienzsteigerung» und «Rationalisierung» bedeuten, dass 162 Postfilialen geschlossen und Arbeitsstellen gestrichen werden. Den verbleibenden PostarbeiterInnen droht hingegen noch grössere Arbeitslast.

Auch die Postfinance hat in den letzten Jahren weniger Profit erzielt als zuvor. Deswegen soll ihre Privatisierung vorangetrieben werden: Sie drängt in profitablere Bereiche wie Kreditgeschäfte. Begleitet wird dies vom Abbau von 130 Vollzeitstellen.

Wir sehen, dass «Effizienzsteigerung», «Rationalisierung» und «Privatisierung» für die ArbeiterInnen nichts weiter bedeuten, als dass ihre Stellen abgebaut werden und Druck sowie Stress zunehmen. Die Angriffe auf die ArbeiterInnen sind keine Frage des Willens der Manager, sondern sie sind den kapitalistischen Zwängen und Drücken geschuldet. So wird auch Levrat als Postchef die Arbeitsbedingungen nicht verbessern. Im Gegenteil: Als Postchef wird er für die weiteren Angriffe auf die ArbeiterInnen verantwortlich sein.

Was tun?

Momentan haben wir also eine der Profitlogik unterworfene Post – v.a. auf Kosten der Arbeiter! Wir brauchen eine den Bedürfnissen von Arbeiterinnen und Konsumenten angepasste Dienstleistung. Dazu müssen die «Liberalisierungen» und alle Privatisierungen zurückgenommen werden – im ganzen Verkehrs-, Gesundheits- und Kommunikationswesen. Nur verstaatlicht können gute Arbeitsbedingungen garantiert und qualitativ hochwertige und billige Dienstleistungen erbracht werden.

Aber das können wir nicht reichen Managern überlassen, die heute die Angriffe durchführen und die Belegschaft rassistisch spalten; und auch nicht bürgerlichen Staatsbeamten und -bürokraten, die ja den ganzen Prozess der «Liberalisierung», also die Angriffe auf die Arbeitsbedingungen, ins Rollen gebracht haben! Es müssen diejenigen die Staatsunternehmen kontrollieren, die wirklich ein Interesse an menschenwürdigen Arbeitsbedingungen sowie hochwertigen und bezahlbaren Dienstleistungen haben: Die produzierenden Arbeiterinnen einerseits, die lohnabhängigen Konsumenten andererseits. Kämpfen wir für die Verstaatlichung der Post unter gesellschaftlicher und Arbeiterkontrolle!

Die Rolle der SP und Gewerkschaften

Es ist die Aufgabe der Gewerkschaften, in den Betrieben die ArbeiterInnen gegen Privatisierungen und weitere Angriffe zu organisieren, für gute Arbeitsbedingungen zu kämpfen und sich für bezahlbare öffentliche Dienstleistungen einzusetzen. Die Aufgabe der SP ist es, diesen Kampf auf der politischen Ebene zu führen. Stattdessen vertröstet SP-Chef Wermuth die PostarbeiterInnen damit, dass Levrat nun ihr Chef wird. Aber Levrat wird nichts verändern, wie wir gesehen haben. Die Gewerkschaften und die SP müssen die Arbeiter unter dem Banner dieses Programms vereinen und sie damit bewaffnen –⁠ denn nur die Arbeiter und Arbeiterinnen können dessen Umsetzung erkämpfen.

Florian Trummer
Marxistische Studierende Zürich

Quellen:
https://www.derbund.ch/sonntagszeitung/dhl-startet-grossangriff-auf-die-schweizer-post/story/21015565
https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/post-rivale-quickmail-steigt-ins-packli-business-ein
https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/dhl-beendet-ihren-angriff-auf-die-schweizer-post-ld.1469549
https://www.avenir-suisse.ch/der-postsektor-chronik-einer-unvollstaendigen-liberalisierung/
https://www.uss.ch/fileadmin/user_upload/news/61_RZ_Liberalisierungspolitik_in_der_Schweiz.pdf

Bild: Matti Blume