Nachdem die Pflegenden in der Schweiz und weltweit jahrzehntelang nur die Faust im Sack machten, trugen sie ihre Wut und ihren Kampfgeist am 12. Mai auf die Strassen. Am internationalen Tag der Pflege gingen Hunderte, teilweise über Tausend PflegerInnen in Bern, Basel und Zürich auf die Strasse. Die Funke-UnterstützerInnen beteiligten sich enthusiastisch mit einem Kampfprogramm, selbstgemalten Transparenten und diskutierten mit den Pflegenden darüber, wie wir bessere Bedingungen in der Pflege erkämpfen können.

Ein Kampfprogramm für die Pflege

Mit diesem Kampfprogramm für die Pflege haben wir in allen Grossstädten interveniert:

Wir zahlen eure Krise nicht! Gesundheit vor Profit!

Pandemie-Chaos, Personalausfälle, Stress und Burnout – das Gesundheitswesen und v.a. das Personal ist am Anschlag. Die Einführung der Fallpauschale, die Privatisierungen, Stellenabbau und Sparmassnahmen: Die Krise des kapitalistischen Systems wird voll auf die Angestellten und PatientInnen abgewälzt!

Die Pflegenden werden als Kanonenfutter an die Pandemie-Front geschickt. Geld für mehr Lohn und Personal gebe es nicht, so der Spitalverband H+. Händeklatschen und Kugelschreiber müssen reichen. Währenddessen sitzen Krankenkassen auf über 11 Milliarden und die Pharmariesen erzielten allein 2020 über 26 Milliarden Franken Gewinne. In der Pandemie zeigt sich klar die Logik des Kapitalismus: Profite stehen über Menschenleben – insbesondere über dem Personal im Gesundheitswesen!

In der Pflegeinitiative von 2017 stehen bereits die dringlichsten Forderungen: Wir brauchen mehr Lohn, einen höheren Personalschlüssel, mehr Ausbildungsplätze, weniger bürokratischen Aufwand und mehr Kompetenzen. Was das Parlament als Gegenvorschlag vorlegt, ist eine Farce. Es sind Krümel, um uns zu besänftigen. Das beweist einmal mehr: Wir dürfen nicht passiv bleiben und auf die Institutionen vertrauen – weder auf die Spitalleitung, noch den bürgerlichen Staat oder das Parlament. Wir müssen bis Juni Druck auf den SBK aufbauen, damit die ursprüngliche Initiative zur Abstimmung kommt. Vor allem aber gilt: Für die Umsetzung unserer Forderungen dürfen wir uns nicht auf Leute mit Profitinteressen verlassen. Wir müssen uns jetzt am Arbeitsplatz organisieren und die Spitalleitungen dazu zwingen, unsere Forderungen umzusetzen.

Wir fordern:

einen anständigen Lohn und die substantielle Erhöhung des Personalschlüssels!

die Abrechnung nach Leistung (nicht Pauschale), Bürokratieabbau, mehr Ausbildungsplätze und mehr Kompetenzen für die Pflege!

Rücknahme aller Sparmassnahmen und Privatisierungen der letzten Jahre!

Wir fordern:

einen anständigen Lohn und die substantielle Erhöhung des Personalschlüssels!

die Abrechnung nach Leistung (nicht Pauschale), Bürokratieabbau, mehr Ausbildungsplätze und mehr Kompetenzen für die Pflege!

Rücknahme aller Sparmassnahmen und Privatisierungen der letzten Jahre!

Damit wir das umsetzen können, müssen wir uns organisieren!

– Wir müssen Versammlungen in Pflegebetrieben organisieren und unsere Forderungen und mögliche Kampfmassnahmen wie Streiks diskutieren!

– Wir müssen uns überbetrieblich und über Berufsgruppen hinweg organisieren und Druck auf die Gewerkschaftsführungen aufbauen, dass sie unseren Kampf unterstützen!

Die Angriffe auf das Gesundheitswesen gehen weiter. Die Bürgerlichen und die Spitalverbände sagen es offen: Umstrukturierungen und Kosteneffizienz – auf Deutsch Privatisierung und Abbau – werden fortgesetzt. Die Krise des Kapitalismus, die Pandemie-Ausgaben und Bankenrettungen müssen wir ArbeiterInnen bezahlen – mit Sparmassnahmen, schlechteren Arbeitsbedingungen und zunehmender sozialer Misere!

Mit einem gemeinsamen Programm der Lohnabhängigen müssen wir uns gegen die Sparmassnahmen und Verschlechterungen im Gesundheitswesen organisieren. PatientInnen und Angestellte haben dasselbe Interesse und wir dürfen uns nicht spalten lassen vom Kostenargument. 

Wir kämpfen gemeinsam für ein kostenloses und gutes Gesundheitssystem für alle!

Für die Kontrolle der Angestellten über das Gesundheitswesen! Wir entscheiden selbst, welche Behandlungen medizinisch sinnvoll sind. Wir entscheiden selbst, wie viel Personal wir pro Schicht sein müssen und wie viel Zeit wir für die einzelnen Tätigkeiten brauchen. Nur so können wir unseren PatientInnen eine gute Pflege und Behandlung garantieren. 

Für die Verstaatlichung der Banken und Pharmariesen unter Kontrolle der Gesellschaft! Geld für die Finanzierung ist genug da. Als ArbeiterInnen, die den ganzen Reichtum erschaffen, sollten wir über diesen verfügen.

Einheitskrankenkasse unter Kontrolle der Angestellten und PatientInnen! Die Krankenkassen sind Parasiten, die sich auf dem Rücken der KonsumentInnen und ArbeiterInnen bereichern. 

Bist du mit der Stossrichtung dieser Forderungen einverstanden? Dann hilf uns die revolutionäre Strömung der Funke aufzubauen! Kämpfen wir gemeinsam in den Pflegebetrieben, Berufsschulen und Gewerkschaften für gute Lebensbedingungen!

Grösste Demonstration in Basel

In Basel war die Demo mit über 1000 Menschen, die meisten davon Pflegende, an diesem Tag die grösste der Schweiz . «Klatschen reicht nicht», «Profit tötet», «Gesundheit statt Profit» – die Parolen der Pflegekräfte sprachen für sich. Die Stimmung war aufgeladen, entschlossen, kämpferisch. Viele trugen selbstgebastelte Schilder mit sich, Sprüche wie «Pflegen macht krank», «Klatschen reicht nicht», «Profit tötet» oder «Lasst uns nicht im Stich – wir sind auch immer für euch da» machten auf die Missstände und Anliegen aufmerksam. Es war laut, beherzt und es wurden Parolen gerufen wie «One solution – Klatsche längt nid».

Seit Jahren wird das Gesundheitssystem privatisiert und auf Profit ausgerichtet. Das schadet nicht nur den PatientInnen, sondern greift direkt die Arbeitsbedingungen der Pflegenden an. Lautstark machten die Pflegenden klar, dass es so nicht weitergehen kann. Der VPOD hat die Grundprobleme in Forderungen formuliert: Höhere Löhne, bessere Personalschlüssen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies sind jedoch für die Pflegefachkräfte nur absolute Mindestvoraussetzungen, damit sie überhaupt im Beruf bleiben.

Demo am Pflegetag in Basel
Mobilisierung zeigt Potential

Dass über 1000 Menschen an der Demo teilnahmen, ein Grossteil von ihnen nach 9-Stunden-Schichten auf Station, zeigt, dass der Wille, etwas zu verändern und die Wut darüber, seit Jahren ausgebeutet zu werden, präsent ist. Viele junge Pflegende waren da, was auch auf die gute Mobilisation an den Berufsschulen in Basel zurückzuführen ist. Während vor der Pandemie bei vielen Pflegenden der Konsens noch war, dass ein Streik fahrlässig gegenüber den PatientInnen und unverantwortlich wäre, hat sich die Einstellung vieler geändert. Das Bewusstsein, dass sich nur etwas verändern wird, wenn sie sich organisieren und die Gewerkschaften unter Druck setzen, ist im letzten Jahr enorm gewachsen. Das hat sich an der Demonstration gezeigt, wie auch in den sozialen Medien.

Die Pflegeinitiative, an die sich die Gewerkschaften und der Berufsverband der Pflegenden immer noch verzweifelt klammern, geht zu wenig weit, das sehen die Pflegefachkräfte mehr und mehr; auch, da sich das Parlament und der Bundesrat mit ihren halbpatzigen Vorschlägen und scheinheiligen Bedankungen beim Pflegeperson je länger je mehr diskreditieren. Die Worte Pflegeaufstand, Streik, Gesundheitsaufstand fallen immer häufiger, was zeigt, dass die Pflegenden wissen, dass sie sich organisieren müssen, um etwas zu erreichen. Den Pflegenden ist bewusst, dass es so nicht weitergehen kann – die Demo am 12. Mai war erst der Auftakt zum Kampf für ein nachhaltiges, faires Gesundheitswesen und gegen das Kapital.

In Bern an der Berufsschule für Pflege und Betreuung

Am Pflegetag In Bern waren wir über Mittag an der BFF – Berufsschule für Betreuung und Pflege – und haben mit den Lernenden diskutiert. Wie bereits in den Wochen davor, zeigte sich hier wieder das grosse Potential für die Organisierung der Lernenden. Sie reagierten sehr positiv auf unsere eigens gemaltes Transparent und in den Gesprächen wurde der grosse Frust über die schlechte Bezahlung, das fehlende Personal und viele weitere Probleme im Arbeitsalltag offensichtlich. Viele stimmten uns auch zu, dass sich nichts ändert, solange man sich nicht organisiert und dafür kämpft.

Es zeigte sich allerdings auch, dass viele nichts vom internationalen Pflegetag gewusst haben und die Gewerkschaften nichts unternommen haben, um die Lernenden zu mobilisieren. Die meisten haben noch nie mit einer Gewerkschaft zu tun gehabt. Dass dies ein grosses Versäumnis ist, zeigte sich nicht nur in den positiven Gesprächen – als wir die Lernenden auf die später stattfindende Kundgebung um 16.00 Uhr auf dem Bundesplatz ansprachen, sagten einige, sie werden das in der ganzen Klasse samt Lehrperson thematisieren. Eine SchülerIn sagte auch: «Ich streike einfach, wenn wir nicht dürfen. Es ist wichtig, dass wir endlich etwas tun!»

Funke-UnterstützerInnen über Mittag an der BFF
Kundgebung auf dem Bundesplatz

Am Nachmittag fand auf dem Bundesplatz die Kundgebung – organisiert von Unia, Vpod und SBK – für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn, Personal und Mitspracherecht statt, an dem ungefähr zweihundert Pflegende teilnahmen. Dass drastische Verbesserungen dringend nötig sind, zeigte sich auch hier wieder: Eine Fachkraft aus einem Altersheim erzählt, dass während des ersten Lockdowns gleich drei MitarbeiterInnen ein Burnout erlitten und nicht mehr arbeiten konnten. Trotz der enormen Belastung, die sich hier zeigt, wurden diese Fachkräfte nicht ersetzt. Ihr Pensum wurde stattdessen einfach auf die restlichen MitarbeiterInnen abgeladen. Eine Pflegerin in Ausbildung erzählte, dass zwei ihrer MitstiftInnen schon im ersten Lehrjahr wieder gingen – wegen Überlastung. Im Durchschnitt bleiben Pflegende nur 7 Jahre im Beruf.

Das grosse Highlight waren zwei Berufsschulklassen von der BFF, die nach unseren Gesprächen am Mittag, kurzerhand mit ihren LehrerInnen auftauchten, um sich an der Kundgebung zu beteiligen. Dies zeigt das riesen Potential, um gerade junge PflegerInnen und Lernende zu organisieren und eine Kampfkraft um Forderungen für bessere Bedingungen in der Pflege aufzubauen. Ihre Forderungen schrieben die Lernenden gleich vor Ort auf Schilder: «Mehr Personal», «Mehr Anerkennung», «Gute Arbeitsbedingungen», «keine Sparmassnahmen» usw. Eine Lernende brachte es folgendermassen auf den Punkt: «Ich will eigentlich wirklich in diesem Beruf bleiben. Ich liebe ihn. Aber so hält man das ja einfach nicht aus!»

Nach Ansprachen von SBK- VPOD- und Unia- Vertreterinnen hielt Fabio, ein Pfleger in Ausbildung (BFF) und Funke-Unterstützer noch eine wütende, aber entschlossene Rede und bekam viel Zustimmung und Applaus. Zuvor hatte er diese Rede bereits an der BFF am Mittag und auch in seiner eigenen Klasse gehalten.

Hey zusammen.

Ich begrüsse euch ganz herzlich zum internationalen Tag der Pflege. Ich bin Fabio und bin Mitglied beim Funke, der grössten Marxistischen Organisation der Schweiz. Gleichzeitig mache ich eine Ausbildung als Betreuer und gehe an der BFF zur Schule.

Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber nach bald drei Jahren Erfahrung in der Gesundheitsbranche, komme ich heute zum Punkt wo ich sage: Durch die jahrelange Sparpolitik haben wir heute ein Gesundheitswesen, welches nicht mehr fähig ist, zur Gesundheit der Bevölkerung zu schauen. Dies zeigt sich in verschiedenen Formen. Spitalschliessungen, fehlendes Personal, steigende Gesundheitskosten und steigende Behandlungsfehler als Folge von fehlendem Personal. Dies geschieht in allen Bereichen des Gesundheitssystems. Also in Spitälern, in Alters- und Pflegeheimen und in psychiatrischen Einrichtungen. Es ist offensichtlich, diese Sparpolitik greift die Lebensbedingungen der gesamten lohnabhängigen Bevölkerung an. Doch wir Pflegenden leiden unter diesen Bedingungen am stärksten. Von uns wird verlangt, zu einem schlechten Lohn extrem viel Verantwortung zu übernehmen. In dieser Verantwortung werden wir dann kaum unterstützt. Die Zahlen der Unia Befragung zeigt dies am deutlichsten. Dort haben nämlich 87% der befragten Pflegerinnen angegeben, dass sie zu wenig Zeit für ihre Patientinnen haben. Und diese Umfrage fand 2019 also noch vor der Pandemie statt.

Durch die Pandemie hat und wird sich die Lage weiterhin zuspitzen. Wegen der akuten Krise des Kapitalismus ist das bürgerliche Parlament gezwungen, weitere Sparmassnahmen auf Kosten unserer Arbeits- und Lebensbedingungen zu machen. Doch das soll nun ein Ende haben! Die Pandemie hat der gesamten Bevölkerung gezeigt, wie wichtig wir sind. Wir dürfen uns diese menschenverachtende Sparpolitik nicht mehr gefallen lassen! Heute am internationalen Tag der Pflege sollten wir uns feiern lassen. Einfach weil wir das verdient haben.

Doch bei den Klatsch-Aktionen vor einem Jahr, haben wir eindeutig sehen können, dass solche Symbol-Aktionen, wie der heutige Tag, nichts an unseren Arbeitsbedingungen verbessern wird. Auch das Parlament zeigt uns mit ihrem Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative, dass ihnen diese akute Krise egal ist. Somit bleibt uns keine andere Wahl als diesen Kampf in unsere eigene Hände zu nehmen. Wir sind diejenigen, die das Gesundheitssystem am laufen halten, also sind auch wir diejenigen, die wissen, wie es organisiert werden muss. Deshalb nutzen wir diesen Symboltag nicht nur um uns zu feiern, sondern fangen wir heute damit an uns zu organisieren.

Für bessere Arbeitsbedingungen und für eine menschenwürdige Pflege ohne Profitzwang! Aus diesem Grund fordern wir mehr Lohn und Personal, weniger Bürokratie. Keine Profite im Gesundheitswesen, die Bedürfnisse der PatientInnen gehen vor. Wir fordern ein gutes und kostenloses Gesundheitssystem für alle. Wir vom Funke kämpfen für ein sozialistisches Programm, welches diese Forderungen umsetzen soll. Wer mit unseren Punkten einverstanden ist soll mit uns diskutieren kommen. Schließt euch uns an und kämpfen wir gemeinsam für eine menschenwürdige Pflege ohne Profitzwang! Wir haben nichts zu verlieren und einiges zu gewinnen!

Rede auf dem Bundesplatz von Fabio, Pfleger in Ausbildung und Funke-Unterstützer

Die Funke-Strömung in Zürich

Hundert Pflegerinnen und Pfleger, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Aktivistinnen und Aktivisten versammelten sich am internationalen Tag der Pflege in Zürich auf dem Bürkliplatz. Von Pflegeassistierenden, über diplomierte Pflegefachpersonen zu Medizinerinnen und Medizinern; vom Universitätsspital, über die Psychiatrische Universitätsklinik zu den Pflegezentren. Privat und öffentlich Angestellte, jung und alt, mehrheitlich weiblich. Stolz auf ihrer Arbeit und wütend auf die fehlende Anerkennung marschierten sie durch Zürich und erhielten viel Zuspruch von den Zuschauenden.


Auch sechs UnterstützerInnen der marxistischen Strömung waren mit Zeitungen und Flyern vor Ort und diskutierten mit den Anwesenden. Wir konnten zehn Zeitungen verkaufen und einige neue Interessierte kennenlernen.
Die gehaltenen Reden zeichneten sich aus durch einen zunehmenden Kampfeswillen, daneben wurde über die Arbeit gesprochen, und überall war zu vernehmen: So geht es nicht weiter. Das Wort Streik viel mehr als einmal, und alle wollen sie an die nächste, richtige Demonstration kommen. Der Kampf der Pflegenden ist auch in Zürich erst am Anfang.