Der 8. März darf nicht Folklore sein. Die Rechte ist in der Offensive, Frauen stehen unter Druck: Pandemie, Rentenalter, Abtreibungsrecht. Zeit für unsere Antwort: für Frauenbefreiung, als geeinte Klasse, gegen jede Unterdrückung und Spaltung.

Unter dem Feigenblatt des Feminismus verschenken heute rechte Politiker Rosen und tun so, als würden sie etwas gegen die Frauenunterdrückung tun – während sie gleichzeitig das Frauenrentenalter erhöhen.

Wir verteidigen die wahren Traditionen des internationalen Frauenkampftages: Seit Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich SozialistInnen für diesen mehrfach unterdrückten Teil der Arbeiterklasse ein und führten einen weltweiten Kampftag ein. 1917 läutete der 8. März die Russische Revolution ein, mit den Frauen als Speerspitze. Der daraus entstandene erste Arbeiterstaat der Welt setzte trotz ökonomischer Rückständigkeit extrem weitgehende Massnahmen zur Beseitigung der Frauenunterdrückung um. Erstmals gab es für Frauen ein umfassendes Recht auf Abtreibung und Scheidung. Erste Schritte zur Vergesellschaftung der Hausarbeit, wie Kochen, Pflege und Kindererziehung, wurden in Angriff genommen.

All das kann der Kapitalismus 2022 selbst in den reichsten Ländern der Welt nicht bieten. Im Gegenteil: Weltweit wird die Arbeiterklasse angegriffen. Errungenschaften werden zurückgerollt. Die Frauen trifft das noch brutaler. Die Offensive wird von ideologischen Angriffen begleitet, die konservative Frauen- und Familienbilder propagieren und sexuelle und geschlechtliche Minderheiten stigmatisieren.

Unterdrückung ist kein Zufall – auch in der Schweiz nicht

Der Angriff auf die Frauen ist ein weltweites Phänomen. Er ist ein besonderer Ausdruck der allgemeinen Offensive der Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse. Auch hier nimmt die Polarisierung zu. Die reichsten 300 SchweizerInnen sind in einem Jahr um einen Sechstel reicher geworden! Zusammen sind sie 115 Milliarden schwer. Gleichzeitig sollen zwölf Steuerreformen ihre Profite weiter verbessern. Die Kosten sollen wir bezahlen! In den Branchen Gesundheit, Soziales, Detailhandel und Gastro, in denen überwiegend Frauen arbeiten, herrschen unmenschliche Bedingungen. Die Erhöhung des Frauenrentenalters wird rücksichtslos durchgepeitscht, die nächste Erhöhung ist bereits in Aussicht. Im Pflege- und Gesundheitsbereich werden bereits weitere Sparrunden aufgegleist. Der Bundesrat kämpfte gegen die Pflegeinitiative und sabotiert nun ihre Umsetzung mit allen Mitteln. 

Die aggressivste Vertreterin der Banken und Grosskapitalisten, die SVP, greift mit einer ideologischen Offensive gezielt die Position der Frauen an. Mit den Anti-Abtreibungs-Initiativen attackieren sie das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper. Sie wollen damit die Praxis, dass andere über den Körper der Frau entscheiden, zur gesetzlichen Norm machen. Andere Bürgerliche sind nicht besser: Um die Erhöhung des Frauenrentenalters zu rechtfertigen, wird als völlig natürlich dargestellt, dass die Mehrheit der Frauen im Alter finanziell komplett abhängig vom Partner ist. Genau diese Verhältnisse sind Brutstätte für häusliche Gewalt. Um ihre Klasseninteressen durchzuboxen, propagieren sie die reaktionärsten Geschlechter- und Beziehungsbilder.

System versagt – Frauen zahlen den höchsten Preis

Die Unterdrückung der Frauen ist ein wichtiger Bestandteil des Kapitalismus. Die Tatsache, dass Frauen Kinder gebären können, wird in der Klassengesellschaft zu einem Grund für Unterdrückung. Im Kapitalismus führen Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub zu systematischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und tieferen Löhnen. Die Teilzeitarbeit in sogenannten Frauenbranchen zementiert die Verantwortung der Frauen für Haushalt und Kinder und später Altersarmut und Abhängigkeit vom Partner. Familie ist oft Pflicht, nicht freie Wahl. Eigentumsansprüche an Frauen(-körper) sind notwendige Bestandteile der Klassengesellschaft. Krasseste Ausdrücke davon sind Prostitution und häusliche Gewalt. 

Diese Unterdrückung hat System: Die Krise des Pflege- und Gesundheitsbereichs macht es offensichtlich. In diesem Bereich arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen. Überlieferte Geschlechterbilder, oft religiösen Ursprungs, dass Frauen von Natur aus fürsorglicher und einfühlsamer seien, verleiten zu dieser Wahl. Die Teilzeitarbeit ermöglicht Müttern Lohnarbeit – mehr schlecht als recht. Die langfristige Krise seit 2008 führte zu einer rabiaten Spar- und Privatisierungspolitik – auf den Schultern der Pflegerinnen. Die Arbeitslast nahm krass zu. Fast die Hälfte der Pflegerinnen will aus dem Beruf aussteigen. Die Rollenbilder halfen teilweise, die Überausbeutung zu rechtfertigen. Frauen lassen wehrlose PatientInnen nicht im Stich, auch wenn das auf Kosten der eigenen Gesundheit geht – so die Begründung. 

Gewerkschaften und Verbände reagierten mit der Pflegeinitiative. Die Coronapandemie trieb diese Widersprüche auf die Spitze und rückte sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Abstimmung  zeigte, wie hartnäckig der Bundesrat die Interessen der Pflegekapitalisten und -profiteure verteidigte und die Initiative bekämpfte. Heute sabotieren Parlament und Regierung die Umsetzung des Gesetzestextes. Das Gesundheitspersonal soll weiterhin für die Krise bezahlen! 

Der heutige Kampf in der Pflege, also unmittelbar für die rasche, umfassende Umsetzung der Pflegeinitiative – darum, was den Pflegenden gesetzlich zusteht! – ist der aktuelle Massenkampf der Frauen. Jeder Sieg würde die Lebensbedingungen von hunderttausenden Frauen verbessern. Gegen wen richtet er sich? Gegen die Spitalkapitalisten, Krankenkassen, die Pharma- und Baufirmen, die Millionen einstecken. 

Die Klasse der Kapitalisten lädt systematisch die Kosten der Krise auf den Schultern der Frauen ab. Der Kampf dagegen muss mit den Mitteln des Klassenkampfs geführt werden. Unser Kampf zielt gegen sie, ihr System und ihre Krise!

Frauen sind Arbeiterinnen und stark

Die Unterdrückung der Frauen ist extrem profitabel. Jede Verbesserung für Frauen wurde gegen die Interessen der Kapitalisten durchgesetzt, denn diese haben kein Interesse an der Emanzipation der Frauen. Historisch war es jedoch der aufkommende Kapitalismus, welcher den Frauen erst die Macht gab, ihre Unterdrückung grundsätzlich überwinden zu können. 

In vorkapitalistischen Gesellschaften lebten und arbeiteten Frauen voneinander isoliert auf dem Bauernhof oder in der Werkstatt (des Mannes). Erst das Aufkommen des Kapitalismus machte die Frauen massenhaft zu Lohnabhängigen, zu eigenständigen Arbeiterinnen in der gesellschaftlichen Produktion. Im Betrieb führen Frauen die Kämpfe kollektiv. Sie sind nicht mehr isoliert und vereinzelt wie in der Hauswirtschaft. Ihre Macht ist die der Arbeiterklasse, der Massendemos und Streiks. Im Gegensatz zu den Frauen der Kapitalistenklasse – die ihr Interesse an Eigentum, Erbe und Verwaltungsratsposten tatsächlich gegen die Männer ihrer Klasse durchsetzen müssen – haben die Proletarierinnen kein getrenntes Interesse von den Männern ihrer Klasse. 

Die offensichtliche Unterdrückung von Frauen und der vorherrschende Sexismus verleiten leicht zu der Ansicht, dass der Befreiungskampf von Frauen vor allem von ihnen alleine – als Frauen – geführt werden sollte. Doch das führt in der Praxis zu einer Schwächung des Kampfes. Arbeiterinnen und Arbeiter haben keine widersprüchlichen Interessen. Sie haben das gemeinsame, objektive Interesse, den Kapitalismus zu überwinden und damit der Unterdrückung die materielle Basis zu entziehen. 

2019 nahm der Frauenstreik in Pflege und Bildung Massencharakter an. In den Kitas wurde mancherorts faktisch gestreikt. Die Streikführung verteidigte jedoch explizit, dass Männer nicht mitstreiken und sogar die Schichten der Kolleginnen übernehmen sollten, weil sie nicht von Unterdrückung betroffen oder sogar Mittäter seien. Doch die Macht des Streiks kommt aus der Unterbrechung der Produktion. Dafür müssen alle mitmachen. Mit dem Aufruf zum Streikbruch schadeten sie den Interessen des Streiks! Die Gewerkschaften widersprachen dieser spalterischen Taktik nicht. Das zeigt, wie weit die Identitätspolitik – nur jeweilige identische Gruppe wie Frauen können ihre eigene Unterdrückung verstehen und bekämpfen – sich in gewissen linken Kreisen breitgemacht hat. Die Gewerkschaften hätten den einenden Klassenkampf in den Vordergrund stellen müssen, um mit dem Frauenstreik ihre Macht und Streikfähigkeit in Spitälern und Kitas zu stärken. Identitätspolitik spaltet, weil sie den Fokus darauf legt, was uns unterscheidet. Wir als MarxistInnen unterstreichen, was unsere Klasse und ihre Kämpfe eint: die gemeinsamen Interessen als Klasse.

In vielen Sektoren, nicht nur der Pflege, braucht es jetzt Verbesserungen. Das erreicht nur, wer sich organisiert, kämpft und streikt. Das ist nur mit allergrösster Einheit in der Belegschaft, auch mit den männlichen Kollegen sowie anderen Berufsgruppen, möglich. 

Der Kampf gegen die vielen Facetten der Frauenunterdrückung ist der Kampf gegen den Kapitalismus, der mit seiner menschenverachtenden Funktionsweise jeden Aspekt der Gesellschaft vergiftet und jede zwischenmenschliche Beziehung unter Druck setzt. Der Kampf zur Überwindung dieser Übel ist der Kampf zur Einheit der Klasse. Um eine harte Tatsache beim Namen zu nennen: Frauen können die Frauenunterdrückung alleine als Frauen nicht überwinden. Das ist nur als Teil einer umfassenderen Bewegung der Arbeiterklasse für den Sozialismus möglich! Teil davon ist der Kampf gegen Sexismus und Vorurteile in unserer eigenen Klasse, um die notwendige Einheit herzustellen. 

Gegen Spaltung und Symbolpolitik

In den letzten Jahren wurde deutlich, dass Identitäts- und Symbolpolitik ein Werkzeug der Herrschenden sind, um ihre reaktionäre Politik zu verschleiern. US-Präsident Biden hat ein «diverses» Kabinett und macht konsequent Politik für die Reichen. Karin Keller-Sutter gilt als Feministin, weil sie glaubt, häusliche Gewalt könne mit reiner Polizeirepression überwunden werden. 

Ein EU-Institut hat errechnet, dass die einzigen Verbesserungen im «Gender Equality Index» der letzten Jahre auf den Bereich der «Macht» – etwa Frauen als CEO oder in politischen Machtpositionen – zurückgeführt werden können. Gleichzeitig wird festgehalten: «Seit 2010 hat sich das Ergebnis der EU in den Bereichen Verteilung der Hausarbeit und Pflegearbeit um -0,6 Punkte verschlechtert». Der statistischen Verbesserungen der Frau im letzten Jahrzehnt ergaben sich einzig und allein aus der stärkeren Integration von einzelnen Frauen in Positionen der herrschenden Klasse. Für die breite Masse wurde es schlechter. 

Die Idee, dass man mit symbolischen Gesten und Repräsentation die Ungleichheit und Unterdrückung in der Gesellschaft beseitigen kann, ist widerlegt. 

Um in die Offensive gehen zu können, dürfen wir wichtige Fragen für spezifische Teile der Klassen nicht übergehen. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden und diese umsetzen – koste es, was es wolle! Biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen wegzuleugnen, wie das etwa viele postmodern geprägte feministische Theorien (wie die Queer Theory) tun, wird die Unterdrückung nicht beenden. Das kann nur ein Kampf gegen den Kapitalismus, denn dieses System braucht die Frauenunterdrückung.

Wofür kämpfen?

Sexismus spaltet die Arbeiterklasse. Doch solange die Kapitalisten die Produktionsmittel und die Medien besitzen und den Staat kontrollieren, können wir die Geschlechterbilder in der Gesellschaft als ganzes nicht ändern. Im gemeinsamen Kampf – und nur da! – ist es möglich, gegen Vorurteile und falsche Ideen in unserer Klasse vorzugehen, bei unseren männlichen Mitarbeitern und Kollegen. Ihre Solidarität muss eingefordert werden. 

Genau deshalb ist es die Aufgabe der grossen Organisationen der Arbeiterklasse, der Gewerkschaften und linken Parteien, diesen Kampf aufzunehmen. Frauen müssen als Lohnabhängige organisiert werden. Dazu braucht es wirkliche Organisierungsoffensiven in diesen Branchen. Die Kämpfe für Verbesserungen müssen aktiv geführt werden. Genauso müssen diese Organisationen mit eigenen Kampagnen gegen Vorurteile und Sexismus in der ganzen Arbeiterklasse kämpfen.

Die unterdrückerischen Ideen werden nur dann verschwinden, wenn wir die materiellen Umstände überwinden, welche sie hervorbringen. Das kann nur der Sozialismus. Um ihn zu erkämpfen, müssen wir die Arbeiterklasse einen. Doch wir müssen in den Kämpfen unsere MitstreiterInnen auch von einem korrekten politischen Programm überzeugen:

  • Wir kämpfen für Massnahmen, welche die materielle Abhängigkeit der Frauen von (Ehe-) Männern reduziert: für bessere Löhne, niedrigere Mieten, gratis Kinderversorgung, Kantinen in Betrieb und Quartier. Familien und Beziehungen müssen von jedem ökonomischen Zwang befreit werden. Der kapitalistische Konkurrenzkampf, der alle menschlichen Beziehungen vergiftet, muss beendet werden.
  • Gesellschaftliche Macht kommt von ökonomischer Macht. Es ist das Privateigentum an Produktionsmitteln, das der Kapitalistenklasse Macht verleiht – auch über die herrschende Ideologie und den Staat. Sie vertreten niemals freiwillig Ideen, welche ihre Interessen gefährden. Wir müssen die Kapitalisten enteignen und ihre Unternehmen der Kontrolle der Arbeiterklasse unterstellen, um ihre Macht zu brechen. In diesem Prozess müssen wir eigene Medien, eigene Bildung und einen eigenen Staat aufbauen, der konsequent unsere Ideen und unsere Interessen verteidigt.
  • Die notwendigen Verbesserungen, wie gratis Kitas, menschliche Bedingungen in der Pflege oder Sexualkundeunterricht frei von religiösen und Pharma-Interessen, müssen finanziert werden. Und zwar nicht von uns selber, sondern von den Kapitalisten. Deshalb müssen wir die Kapitalisten enteignen und den gesellschaftlichen Reichtum gezielt einsetzen, um die Probleme der Arbeiterklasse zu lösen!

Frauen bezahlen den grössten Preis für die Vermoderung des Kapitalismus. Frauenmorde in Lateinamerika und Indien sind Ausdruck des Zerfalls der Gesellschaft. In der Schweiz nimmt die häusliche Gewalt ebenfalls dort zu, wo die Krise einschlägt: bei Jungen und Prekären. Und diese Krise ist noch lange nicht zu Ende. Umso dringender ist es, den Kampf gegen Sexismus, gegen die Angriffe der Bürgerlichen und die aufkommenden Arbeitskämpfe zu vereinen. Das ist nur möglich unter dem Banner des gemeinsamen Kampfes für den Sozialismus.

Caspar Oertli, Juso Stadt Zürich

«Kein Sozialismus ohne Befreiung der Frau – Keine Befreiung der Frau ohne Sozialismus»

Wo wir aktiv sind, setzen wir uns für geeinte Mobilisierungen für den 8. März ein, so z.B. in Bern. In der JUSO kämpfen wir für die Lancierung einer grossangelegten nationalen Mobilisierung zum 8. März 2023, gemeinsam mit Gewerkschaften und linken Parteien.