[dropcap]D[/dropcap]ass die Unternehmenssteurreform 3 so klar abgeschmettert wurde (59.1% Nein) liegt daran, dass wirklich nur die grössten Kapitalisten profitiert hätten. Und daran, dass die WählerInnen nicht mehr länger zuschauen und getreu durchwinken wollten, was „der Wirtschaft nützt“. Doch wieso passiert das gleich heute?

Es hat überrascht, war aber nicht so überraschend. Dass es in der Schweiz eine starke Polarisierung gibt, welche aber nicht einen generellen Rechtsrutsch bedeutet, versuchten wir vor einem Jahr so zusammenzufassen: „Die widersprüchliche Krisenentwicklung des Schweizer Kapitalismus führt zu einem gleichermassen widersprüchlichen Bewusstsein der Schweizer ArbeiterInnenklasse. (…) Diese widersprüchlichen Bewusstseinszustände enthalten eine grosse potentielle Explosivität. In ihnen zeigen sich die sich stets verschärfenden Widersprüche des Systems, die sowohl auf ökonomischer wie auf ideologischer Ebene an die Oberfläche kommen. Die Tendenz zur Radikalisierung und Polarisierung ist bereits da, drückt sich in Abwesenheit einer klaren linken Alternative (…) im Erstarken und in der Neuformation des Bürgerblockes aus“ (Der Funke, Perspektive 2016).

Der Abstimmungssonntag bestätigt diese Analyse. Nicht, dass das „Nein“ zur USR3 eine linke Alternative an sich bedeutet. Doch in dieser Frage drückten sich die Klassenpositionen so stark aus, dass das Abstimmungsverhalten der Wählerschaft der bürgerlichen Parteien – im speziellen der SVP – entlang dieser Linie gespalten wurde.

Genauso wie im „Ja“ zur Masseneinwanderungsinitiative spiegelt sich darin die Suche der Wählerschaft nach einer Antwort auf die die krisenbedingte Verschlechterung der sozialen Situation. Doch dieses Mal gegen die SVP.

Parteivolk gegen Volkspartei
Die wichtigste Aussage des Abstimmungsresultates bezieht sich auf die SVP-Wählerschaft. Eine NZZ-Analyse zeigt auf, dass viele SVP-Abstimmungshochburgen gegen ihre Parteiführung rebelliert haben. Die NZZ zitiert einen Kantonsstatistiker: «Je höher das Einkommen, desto höher der Ja-Stimmen-Anteil» und erklärt: „Für einmal also habe sich die unterschiedliche Herkunft (der «soziodemografische Gegensatz») von SVP- und FDP- Wählerschaften deutlich ausgewirkt – was bei derartigen Liberalisierungsvorlagen oft der Fall sei.“

Der Aufstieg der SVP basiert auf der Schwäche ihrer Gegner und damit der Möglichkeit sich als „Opposition“ zu präsentieren. So gelingt es ihnen, Unterstützung bei gewissen ArbeiterInnenschichten zu gewinnen, obwohl sie direkt entgegengesetzte Interessen vertreten. Diese Vorlage entblösste, für wen sie wirklich politisieren, für die Grosskapitalisten.

Das zeigt klar auf, dass man mit einer korrekten Klassenposition Terrain zurückgewinnen kann, gerade bei Fragen welche die Klassengrenzen so klar aufzeigen. Nur so können wir auch in Zukunft die Vormacht der rassistischen Demagogen brechen.

Weg vom Fetisch des Mittelstandes
Watson erklärt: „Den Befürwortern der USR III gelang es nie, die Befürchtung zu widerlegen, dass die «Normalverdiener» die Zeche für die Reform bezahlen werden.“ Viel klarer kann man es nicht ausdrücken, deshalb die Referenz zu den „Lohnabhängigen“. Dass die SP die Kampagne um den „Mittelstand“ aufbaute, war ein Fehler. Vom Mittelstand zu sprechen heisst, die bürgerliche Propaganda der Chance vom sozialen Aufstieg auch von links aus zu betreiben. Während der weltweiten Krise ist dies auch in der Schweiz fern ab von der Realität der Lohnabhängigen (und darüber hinaus).

In dieser Situation darf es nicht die SP sein, welche den Massen vorgaukelt, ein Zurück zu den Zuständen des Nachkriegsbooms sei ein möglicher Ausweg, denn dies Option existiert nicht. Eine Linke, welche zu einer realen Alternative werden will, muss aufzuzeigen, dass das ganze System nicht mehr in der Lage ist, die Lebensbedingungen der Normalverdiener zu verbessern – auch in der Schweiz. Jede noch so „ausgewogene“ Reform muss den Interessen der Profitmaximierung der Konzerne entsprechen. Diese stehen den Interessen der Lohnabhängigen frontal gegenüber.

Das Abstimmungsresultat hat gezeigt, dass die Wählerschaft dies sehr gut erkennt hat, auch gegen den Bundesrat, die Kantonsregierungen und alle Parteien rechts der SP. Die Aufgabe der SP ist es, dies so zu erklären und auf dieser rebellischen Basis – welche die Anfangswehen eines grösseren Bewusstseinsprozesses bedeutet – eine konsequente Praxis zu entwickeln. Diese muss sich das Ende des ganzen kapitalistischen Systems zum Ziel nehmen. Dort sollen Unternehmen wie Nestle, EY und Novartis nur noch in „Logo-Design“ Unterricht vorkommen.

Caspar Oertli
JUSO Stadt Zürich