[dropcap]I[/dropcap]m April kündigte die konservative britische Premierministerin Theresa May unerwartet Neuwahlen an. Jeremy Corbyn, der linke Vorsitzende der Labour Partei, führt die ArbeiterInnenbewegung in diese Parlamentswahlen. Unsere britischen GenossInnen des Socialist Appeal und der Autor dieses Artikels sind in diese Kampagnen involviert. Vier Lehren aus Mélenchons Kampagne in Frankreich für den Wahlkampf in Grossbritannien.

Theresa Mays Kehrtwende bezüglich Neuwahlen ist eher ein Zeichen der Schwäche als der Stärke. Trotz gegenwärtig hohen Zustimmungsraten in den Umfragen, muss sie ihre Position absichern, bevor der politische Sturm um die Brexit-Verhandlungen ausbricht. Eine dünne Mehrheit von 17 Sitzen, eine polizeiliche Untersuchung bezüglich Wahlfälschungen und die unangenehme Tatsache, dass May nie selbst eine Wahl gewonnen hat, geben ihr ein schwaches Fundament. Sie hofft ein Mandat für einen „harten“ Brexit, wie auch für ihre anti-ImmigrantInnen und Anti-arbeiterInnen, kurz pro-kapitalistische Agenda der Sparmassnahmen zu erhalten.

Mit der Sabotage durch den rechten Parteiflügel hat Corbyn einen steinigen Weg vor sich. Der rechte Flügel hofft, nach einer Wahlniederlage ihren „sanften Putsch“ gegen Corbyn abschliessen zu können. Trotz unablässiger Sabotage der Rechten innerhalb der Partei und der Presse, kann Corbyn den Kampf in der Labour und die Partei im Wahlkampf gewinnen, insofern er eine mutige, eine sozialistische Alternative zu den Sparmassnahmen von Theresa May aufzeigt. Corbyn kann viel von Mélenchons Wahlkampagne in Frankreich, der mit sozialistischen Positionen Millionen von jungen Menschen inspirierte, lernen. Corbyn sollte sich vier Tipps von Mélenchons Kampagne notieren:

1. Brich mit dem Status quo!

Ein wichtiger Faktor für Mélenchons Erfolg war seine klare Ablehnung der herrschenden wirtschaftlichen Ordnung und seine unumwunden sozialistischen Vorschläge zur Bekämpfung der sozialen Probleme Frankreichs. Mays Ankündigung kam kurz nachdem Corbyns Equipe eine Reihe politischer Richtlinien herausgegeben hatte. Diese beinhalten unter Anderem einen  Mindestlohn von 10£, gratis Schulverpflegung und Lohnerhöhungen für das Pflegepersonal und wurde in der Öffentlichkeit gut aufgenommen. [Update: Kürzlich wurde Corbyn’s Wahlmanifest öffentlich. Es beinhaltet: Rücknahme der Sparmassnahmen der Tories, volle Finanzierung des Gesundheitssystems (NHS) und der Bildung, Abschaffung der Einschreibegebühren für die Unis, der Bau von 100’000 öffentlichen Wohnungen pro Jahr, die Wiederverstaatlichung von Post und Eisenbahnen.

Bezahlt würde dies durch Besteuerung der Grossunternehmen und der reichsten 5%]. Es gibt einen fruchtbaren Boden für linke Wirtschaftspolitik in Grossbritannien, aber Corbyn muss viel mutiger sein. Mit dem Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) in einer existenziellen Krise, fallenden Löhnen und dem öffentlichen Dienst unter der Keule der Sparmassnahmen gibt es einen grossen Spielraum, um für einschneidende wirtschaftliche Reformen zu kämpfen. Dieser Kampf sollten um eine klare sozialistische Position aufgebaut sein: gegen die Reichen, gegen die Kapitalisten und für die ArbeiterInnenklasse.

2. Wenn du die Zahlen hast, brauch sie!

Eine bestimmende Eigenschaft von Mélenchons Kampagne war seine Fähigkeit, riesige Versammlungen zu organisieren. Dies erlaubte es ihm, direkt mit seinen Anhängern zu sprechen und die Verleumdungen und Lügen der bürgerlichen Presse zu umgehen. Trotz der Entrechtung der Mitglieder von Labour und dem Ausschluss der Linken durch die Labour Bürokratie, liegt Corbyns grösste Stärke weiterhin in der Basis. Alle Versuche der „Einheit“ mit der Parlamentsfraktion sind kläglich gescheitert. Corbyns grösste Hoffnung ist die radikale Energie, welche er in seinen Kampagnen für den Parteivorsitz freigesetzt hat, in eine transformative soziale Bewegung für Wandel zu übersetzen. Um die Bürokratie zu umgehen, müssen die tausenden AktivistInnen mit einem selbstbewussten sozialistischen Programm und durch eine Reihe von öffentlichen Grossveranstaltungen mobilisiert werden.

3. Fürchte dich nicht vor Kampfreden!

Mélenchons Beliebtheit kam auch von seinen geistreichen Stellungnahmen in Fernsehdebatten. Corbyn wird in dieser Hinsicht wohl nie ein Mélenchon. Dennoch verdankt er seinen Aufstieg den ernsten, aber passionierten Auftritten in den öffentlichen Debatten für die Labour-Führung, welche bei den Mitgliedern und darüber hinaus grosse Zustimmung fanden. Anscheinend aus Sorge eines Bruchs mit den Blair-Freunden in der Partei, hat Corbyn leider in den vergangenen Monaten öffentliche Auftritte gescheut. Nun hat er jedoch wieder vielversprechende Auftritte an den Tag gelegt.

In der Lancierung seiner Kampagne hat er die Wahl als eine zwischen „dem Establishment und dem Volk“ präsentiert. Er braucht jedoch mehr Feuer, hat er doch nur wenige Wochen Zeit, um die Öffentlichkeit zu gewinnen. Die Zeit der Güte und Sanftheit ist vorbei. Er muss klar sagen, dass die Tories den Kapitalisten zu riesigen Profiten verhelfen, während wir übrigen unter Sparmassnahmen leiden. Daher muss der Reichtum der Schmarotzer enteignet und unter die Kontrolle einer demokratischen, sozialistischen Regierung gestellt werden. Eine solche Botschaft könnte nicht nur seine Unterstützerbasis wiederbeleben, sondern auch Millionen an normalen WählerInnen gewinnen.

4. Sei standhaft und optimistisch!

Mélenchon musste heftige öffentliche Angriffe einstecken, doch er schien diese beinahe zu geniessen und sie hatten keinen Einfluss auf seine Rhetorik. In der Vergangenheit waren einige „hochkarätige“ Corbyn-UnterstützerInnen beinahe so schädlich wie seine KritikerInnen. Dies hat Corbyns Botschaft verwässert, die Linke untergraben und vom eigentlich zentralen Kampf für die Abwählbarkeit von Parlamentsmitgliedern, welche in keiner Weise die Parteimehrheit widerspiegeln, abgelenkt. Corbyn hat jedoch den Kampf in der Partei nicht aufgenommen und sein Programm teilweise nach Rechts verschoben. Dies wurde durch die konstanten Angriffe der Presse nicht besser. Nun hat er jedoch Mays Herausforderung angenommen und gesagt, er freue sich auf „die Gelegenheit, [seine] Argumente in die Öffentlichkeit zu tragen.“ Nun ist es entscheidend, dass er aufhört zu schwenken und seinen UnterstützerInnen mit einem unbeirrt radikalen sozialistischen Programm vertrauen einhaucht – nichts Geringeres wird wirken.