Die jüngsten stürmischen Ereignisse zeichnen für das ungeübte Auge ein sehr widersprüchliches Panorama. Ob erfolglose Grossdemonstrationen in Paris, 5 Millionen Podemos-WählerInnen in Spanien oder der Hammerschlag des Brexit-Resultats, jedes einzelne Phänomen birgt in sich selber Widersprüche, welche keine einfache Interpretation zulassen. Auch das Gesamtbild ist nicht leichter einzuschätzen. Erfolge der Rechtspopulisten und xenophoben HetzerInnen wechseln sich in schneller Abfolge mit Kostproben vom Auftreten eines klarer werdenden Klassenbewusstseins ab.

Doch alle diese Ereignisse besitzen eine entscheidende Gemeinsamkeit. Sie entstehen auf dem Buckel der fortschreitenden Entwicklung einer Krise, welche in Umfang und Ausdehnung ihresgleichen sucht. Doch die punktuellen Resultate unterscheiden sich gewaltig voneinander und das Pendel schlägt ruckartig nach links oder rechts. Die Richtung ist jedoch selten willkürlich und jeder Einzelfall ruft nach einer genauen Analyse. In dieser Ausgabe unserer Zeitung haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, verschiedene Phänomene, Akteure und auch die Krise selbst genauer unter die Lupe zu nehmen.

Um die Charakterzüge des aktuellen Konjunkturtiefs aufzuzeigen, gehen wir im Beitrag „Organische Krise: Zukunft auf Messers Schneide“ näher auf die Grundzüge der marxistischen Krisentheorie ein und schlagen einen weiten Bogen zur sogenannten Erdöl-Krise und zur Geburtsstunde des Neoliberalismus. Dabei erörtern wir im speziellen das Konzept der organischen Krise, welches auf die aktuelle klar zutrifft.

Dass auch „Linke“ in Wirtschaftsfragen einer eigenen Theorie mächtig sein müssen, zeigt sich nicht nur in der Analyse der bürgerlichen „Auswege“ aus der Krise, sondern auch in der Diskussion in den eigenen Reihen. Mancher Vorschlag zur Ankurbelung der Wirtschaft von linker Seite stellt sich als ein aufgewärmtes Menu von John Maynard Keynes heraus. Deshalb publizieren wir auf Seite 10 eine erneute Auseinandersetzung zwischen der Marxistischen Wirtschaftsanalyse und diesem Fauxami der Linken.

Im Beitrag ¡Tiempo de resistenca! nehmen wir diese Argumentation wieder auf und geben einen Überblick über den anwachsenden Gegenwind gegenüber den progressiven Regierungen in Lateinamerika. Auch hier prallen die Gesetze des Kapitalismus gegen die – zu schüchternen – wirtschaftlichen Rezepte der verschiedenen Regierungen. Ihre Versuche den Kapitalismus zu regulieren und „gerechter“ zu gestalten, sind schlussendlich zum Scheitern verurteilt. Denn unser Kampf darf nicht vor den Fabriktoren Halt machen.

Dass es auch in der Schweiz zwischenzeitlich hinter den Fabriktoren zu Arbeitskämpfen kommt wird im Artikel „Der Traum ist aus – die 70er- Krise in der Schweiz“ erläutert. Dabei lässt der Kontext dieser Kämpfe – der Einbruch der Wirtschaftskrise auch hierzulande – einige Parallelen zur heutigen Situation zu. Deshalb legen wir den Fokus auf das Zusammenspiel zwischen wirtschaftlicher Stagnation und dem Aufkommen von Arbeitskämpfen.

Eine Krisensituation führt jedoch nicht zwangsläufig zu breitem Widerstand. Genauso wenig kommt es mit dem Fortschreiten der Krise zwangsläufig zu Wahlerfolgen von Linksparteien.  Trotzdem besteht eine enge Wechselwirkung zwischen Konjunktur und Klassenkampf. Dieser Beziehung geht der Beitrag auf Seite 16 nach.

Die aktuelle Krise drückt sind aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Überbau, auf der ideologischen Ebene aus. Ein Krisenherd ist die Demokratie, nicht nur als regulierende Entscheidungsmacht, sondern auch als ideologisches Konzept. Diesem Bestandteil der organischen Krise widmen wir den Text „Bürgerliche Demokratie ist Luxus!“.

Nichts desto trotz sind wir die ersten VerteidigerInnen der Demokratie! Doch wie unser Beitrag über die Grundzüge des Reformismus auf Seite 14 erklärt, ist die sozialdemokratische Verteidigung der Demokratie eine Sisyphusarbeit, deren Grenzen nicht nur vom bürgerlichen Staat gezogen werden, sondern bereits in den Grundgedanken des Reformismus und der Sozialdemokratie vorhanden sind. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der reformistischen Praxis und Argumentation ist nötig, wenn wir weder ihren einfachen und unmöglichen Lösungsvorschlägen auf den Leim gehen, noch ewig-meckernd im Abseits stehen wollen.

Wenn wir neben der Theorie in die Praxis übergehen wollen, kommen wir nicht umhin, zu beobachten, welche Sektoren der Gesellschaft sich am ehesten dem Widerstand anschliessen. Im Beitrag „Jugend – Flamme der Revolution“ erläutern wir nicht nur die Umstände, unter welchen junge Erwachsene schneller zur Aktion schreiten und zu revolutionären Schlussfolgerungen ziehen, sondern zeigen am Beispiel der arabischen Revolutionen auf, welche Rolle die Jugend beim Ausbruch von revolutionären Bewegungen spielen kann.

Diese Untersuchungen zu verschieden Dimensionen der aktuellen Krise reihen sich nicht in eine sterile akademische Betrachtungsweise ein. Wir haben uns dem Ziel verschrieben, zu verstehen, um zu handeln. Doch jede Antwort ist nur so nützlich, wie sie das Problem verstanden hat. Wir sind überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten der Krise nötig ist, um diesem vielschichtigen Thema gerecht zu werden. Dabei hüten wir uns davor, in eine mechanische Analyse zu verfallen, welche den alleinigen Verfall des kapitalistischen Systems in einer „Endkrise“ voraussagt. Wir sind uns bewusst, dass es einer dialektischen Betrachtungsweise bedarf. Ebenso klar sehen wir, dass nur das bewusste Eingreifen in den Verlauf der Geschichte diesem System ein Ende bringen kann.