[dropcap]D[/dropcap]as klare Nein zur Unternehmenssteuerreform (USR) III führt berechtigterweise zu Jubelschreien in der Linken. Mit knapp 60 % wurde die Vorlage an der Urne versenkt. Das macht sie zu einem der grössten Erfolge auf Abstimmungsebene, welche die Linke in den letzten Jahren erzielen konnte und zeigt, dass man nicht einfach von einem Rechtsrutsch sprechen kann.

Mit Bekanntgabe des Ergebnisses fingen auch die Erklärungsversuche an. Die NZZ nennt es einen Bauchentscheid und legt unterschwellig nahe, dass die Stimmbevölkerung einfach zu uninformiert war. Alle scheinen sich einig zu sein, dass es an mangelndem Vertrauen lag. Der ehemalige SP-Nationalrat Strahm nennt dies als ersten zweiten und dritten Grund.

Das Stimmverhalten ging klar entlang der Klassenlinie. In sonstigen SVP-Hochburgen wurde die Vorlage von den ArbeiterInnen abgelehnt (was wir im Beitrag auf Seite 4 näher untersuchen). Sie stimmten klar für ihre Klasseninteressen und entgegen der Parteilinie. Der Erfolg der SVP ist nicht in Stein gemeisselt, sondern hängt davon ab, ob sie den Arbeiter-Innen glaubwürdig vormachen kann, die Vertreterin ihrer Interessen zu sein. Bei dieser Abstimmung gelang es ihr nicht und dies bietet der SP eine gute Chance, zum Kontern auszuholen und sich wieder als Vertreterin der Interessen der Arbeiter-Innen zu positionieren. Christian Levrat nennt das Ergebnis einen „Wendepunkt in der Legislatur“ und eine rote Karte für die Bürgerlichen. Gleichzeitig suchen er und seine ParteigenossInnen aber bereits einen „schweizerischen Kompromiss“, um schnell eine neue Vorlage bereitzustellen. Dabei tappen sie in die Falle der Bürgerlichen, welche darauf setzen, mit minimen Konzessionen die SP ins Boot zu holen und so die Stimmbevölkerung bei der nächsten Vorlage zu umgehen.

Die FDP-Chefin Petra Gössi fordert nämlich eine Alternative von den Linken, wird aber für deren bisherige Vorschläge „keine Hand bieten“. Die SP darf nicht in diese Falle tappen und sich als Partei der wirtschaftlichen Vernunft darstellen, sondern muss sich ganz klar auf die Seite der Lohnabhängigen stellen. Diese verlangen auch keine „schnelle Lösung“. Ansonsten werden sie weder Vertrauen zurückgewinnen, noch hätten sie es verdient. Wäre es nach diesem Etappensieg die SP, welche einen faulen Kompromiss ausarbeiten würde, wäre das ein historisches Eigentor und könnte grosse Enttäuschung nach sich ziehen.

Mit der Ablehnung der USR III wird erneut die Diskussion über die kommende Reform der Altersvorsorge gestartet. Diese ist ein klarer Angriff auf den Lebensstandard, denn zum Paket gehören die Erhöhung des Frauenrentenalters, die Senkung des Umwandlungssatzes der Pensionskassen und die Erhöhung der Mehrwertsteuer (siehe Artikel S. 5). Das einzige Zückerchen, welches beim Schlucken dieser bitteren Pille für die SP übrig bleibt, ist die Erhöhung der AHV-Rente um 70 Franken.

Dass diese im Vergleich zu den Verschlechterungen nicht einmal ein schwacher Trost ist, scheint auf linker Seite ignoriert zu werden. Der von Bürgerlichen prophezeite (und orchestrierte) Untergang der Altersvorsorge wird für bare Münze genommen. Auf bürgerlicher Seite scheint man den „guten schweizerischen Kompromiss“ nicht ganz so ernst zu nehmen und will sogar die 70 Franken Erhöhung aus der Vorlage streichen. SP-Bundesrat Berset hatte die Ehre, die Rentenreform auszuarbeiten und stellt sich nun bedingungslos hinter sie. Dass wie schon bei der USR III Regierungsmitglieder der SP, wie Eva Herzog in Basel, persönlich für solche Vorlagen werben, hilft weder der Glaubwürdigkeit, noch der Schlagkraft der Partei, sondern schadet dieser. Sie spielen damit den Bürgerlichen geradewegs in die Hände. Berset wird für die Bevölkerung somit das Gesicht des Rentenklaus. Verständlicherweise wird er damit zum Sündenbock der bürgerlichen Regierungspolitik und gleichzeitig übt er so politischen Druck auf die SP-Fraktion aus, „seine“ Reform zu unterstützen. Dieser geht soweit, dass die SP bei winzigen Konzessionen bereits einknickt und eventuell auf ein Referendum verzichtet. Damit verlieren sogar hohle Phrasen wie “Mitgestalten” und das “Schlimmste verhindern” jegliche Bedeutung.

Doch das Tragen der Regierungsverantwortung ist nicht nur auf Bundesebene ein Risiko. Auch in Kantonen und Gemeinden konnten durch die SP-Regierungsmitglieder selten Erfolge verzeichnet werden. Die politische Landschaft der letzten Jahre war geprägt von massiven Sparpaketen und Privatisierungen, welche bis auf wenige Ausnahmen verabschiedet wurden. Diese konnten von den linken Regierungsmitgliedern noch nicht einmal dann verhindert werden, wenn sie in der Mehrheit waren.

Das bringt uns dazu, erneut zu fragen, was uns Mitglieder in der Regierung bringen, wenn sie keine Macht haben, Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse zu verhindern und diese zum Teil sogar noch öffentlich, entgegen der Parteiposition, verteidigen?

In der Vergangenheit war die Möglichkeit für realen sozialen Fortschritt, besonders in der Nachkriegsperiode, die Grundlage für eine Regierungsbeteiligung. Damals war es möglich, dank einer starken ArbeiterInnenbewegung im Rücken und während des Wirtschaftswachstumes Verbesserungen zu erzielen. In der heutigen Zeit, in der Sparmassnahmen und Angriffe gegen die ArbeiterInnen auf der Tagesordnung stehen, fällt diese Möglichkeit weg.

In dieser Phase der Krise ist es zentral, dass sich die SP klar gegen die Angriffe positioniert und die SP-Regierungsräte sich an diese Position halten. Sie sind gewählte VertreterInnen der Partei und sind der Basis rechenschaftspflichtig. Wenn es ihnen nicht gelingt, Fortschritte zu erwirken oder sie sich gar hinter Angriffe stellen, haben sie keine Berechtigung, in der Regierung zu sitzen. Die SP muss eine Oppositionspolitik aufbauen, um ihre Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und Schlagkraft aufzubauen.

Eine Oppositionspolitik bedeutet nicht einfach den Austritt aus der Regierung; dies würde die Schwäche der Linken nicht automatisch lösen. Die Aufgabe der SP muss es sein, den Lohnabhängigen eine sozialistische Alternative aufzuzeigen. Das kann nur gelingen, wenn die SP wieder Fuss in den Betrieben und Quartieren fasst. RegierungsvertreterInnen, welche offen die Interessen der Konzerne verteidigen, sind dabei ein Klotz am Bein. Oppositionspolitik ist keine symbolische Haltung, sondern ein langer Prozess, bei dem die SP sich das Vertrauen der ArbeiterInnen zurückerkämpfen muss – Debatte um Debatte, Quartier um Quartier. Sie muss sich ehrlich und ohne Kompromisse für deren Interessen einsetzen. Auf der Strasse, in den Betrieben und in den Parlamenten muss sie sich gegen jegliche Angriffe der Bürgerlichen wehren. Sie muss als Partei gemeinsam mit den Gewerkschaften sämtliche Arbeitskämpfe, sämtliche Verteidigungskämpfe mit aller Kraft unterstützen und sie miteinander verbinden, um erneut eine starke ArbeiterInnenbewegung aufzubauen und anzuführen. Der Sieg über die USR III soll dabei als Startschuss dienen.

Die Redaktion