Unter den Vorschlägen für ein neues Initiativprojekt der JUSO findet sich je einer gegen das Migrationsregime sowie für einen Kündigungsschutz. Beide Ansätze nehmen in der aktuellen Krise ein wichtige Themen auf. Sind sie aber auch geeignet, um die sozialistische Bewegung aufzubauen und zu stärken?

«Mensch- statt Grenzschutz»
Die erste Forderungen der Mensch- statt Grenzschutz-Initiative ist, dass neben bisherigen Gründen (Genfer Konvention) neu auch Armut als Fluchtgrund anerkannt wird. Damit gäbe es ein Recht auf Asyl, wenn eine wirtschaftliche Lebensgrundlage fehlt (Armut).
In den bürgerlichen Medien wird oft zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen unterschieden. Dabei ist es naheliegend, dass es für die Betroffenen kaum einen Unterschied macht, wieso sie fliehen mussten. Welchen Unterschied macht es für die Betroffenen, ob sie durch Krieg vertrieben werden, um ihnen die Ressourcen wie Regenwaldholz, billiges Öl oder Fisch wegzunehmen, oder ob diese Ressourcen direkt weggenommen werden (natürlich mit der vorgehaltenen Waffe von Polizei und Militär) und sie fliehen müssen, um nicht zu verhungern? Jede Wirtschaftskrise ist ein Krieg der Reichen gegen uns Lohnabhängige und ein Eroberungskrieg ist nur die Fortsetzung dieser bürgerlichen Politik mit anderen Mitteln.

Die Forderung Armut als Asylgrund anzunehmen greift diese heuchlerische und künstliche Trennung direkt an. Sie offenbart die enthaltene Widersprüchlichkeit und sagt dieser bürgerlichen Argumentation den Kampf an.
Weiter bietet sie Raum für das Anprangern des (Schweizer) Imperialismus. Wir können die Frage nach den Fluchtursachen stellen und aufzeigen, dass die Interessen der KapitalistInnen Zwangsmigration bereitwillig in Kauf nehmen, um ihre Profite zu sichern und vermehren. Das Kapital kann sich der verursachten Problemen nicht mehr verschliessen, wenn verarmte und vertriebene Menschen nicht mehr einfach vor Pforte Europas abgewiesen werden.

Die zweite Forderung im Initiativtext möchte die Rechte der «vorläufig Aufgenommenen» anpassen und mit jenen von anerkannten Flüchtlingen gleichsetzen. Die Forderung an sich ist begrüssenswert, geht aber zu wenig weit.

Die Diskriminierung der MigrantInnen mit dem Ausweis B (befristet) wird damit nicht aufgehoben. Bestehen bleibt einerseits eine klare Trennung zwischen StaatsbürgerInnen und MigrantInnen, andererseits unterwerfen die Gesetze über Migration und Aufenthalt alle Nicht-SchweizerInnen der Willkür der Unternehmen und der Staatsbürokratie – wer bei der Tyrannei der Bossen nicht spurt, fliegt sofort raus. Während der unbefristete Ausweis (C) weniger diskriminierend ist, sind alle Aufenthaltsbewilligungen abhängig von Erwerbsanstellungen und Kooperation mit Behörden (Fristen einhalten und Berge von Papieren ausfüllen). Kleine Fehler können verheerend sein, besonders wenn die Sprachkenntnisse fehlen.

Wenn wir die Frage der Migration aufwerfen, muss unser Ziel sein, der Spaltung von StaatsbürgerInnen und MigrantInnen entgegenzuwirken. Der Kampf für Rechte von MigrantInnen kann nur gelingen, wenn wir ihn zusammen mit dem gesamten Rest der ArbeiterInnenklasse in der Schweiz führen. So muss der Kampf gegen Prekarisierung der MigrantInnen, welche durch verschiedene Aufenthaltsbewilligungen gefördert wird, als Kampf gegen die Prekarisierung und Ausbeutung aller ArbeiterInnen geführt werden. Mit der Gleichsetzung von «vorläufig Aufgenommenen» und anerkannten Flüchtlingen werden die Isolation und Unterdrückung, der MigrantInnen ausgesetzt sind, nicht aufgehoben. Um dieser Entgegenzuwirken müssen wir die Einführung des C Ausweises für alle fordern. Da dieser die Abhängigkeit von einem Arbeitgeber nimmt und sie damit nicht mehr gezwungen sind, Verschlechterungen hinzunehmen, aus Angst den Arbeitsplatz und die Aufenthaltsbewilligung zu verlieren.

Die Flüchtlingsthematik hat durchaus das Potenzial Jugendliche zu mobilisieren, das zeigen verschiedene Grossdemonstrationen und die grosse Zahl von AktivistInnen um das Thema Migration. Jedoch hat die Initiative nur einen begrenzten Handlungsspielraum, es ist fraglich, ob diese Initiative genügend am Bewusstsein der Jugend ansetzt. Die Migrationsströme werden nicht aufhören, auch wenn sie zwischenzeitlich kleiner werden. Doch die bisher starke Präsenz und die grossen Solidaritätswellen waren auch immer Gegenreaktionen auf die hetzerische Propaganda der Bürgerlichen. Wenn wir aber nur auf die Politik der SVP reagieren, statt selber zu handeln und eigene Alternativen aufzuzeigen, bleiben wir schlussendlich passiv. Dadurch können uns die Bürgerlichen leicht den Stempel aufdrücken nur zu meckern, statt selber Lösungen zu präsentieren.

«Entlassungsverbot»
Die Zweite Initiative bringt eine gute, wichtige Forderung vor. Sie ist durchaus imstande, die häufige Drohung der Bürgerlichen des Arbeitsplatzverlustes durch Abwanderung zu entwaffnen. Auch ein Ausbreiten der Agitation auf den Kampf gegen die grundlegenden Systemwidersprüche ist möglich.

Wir zitieren aus dem Vorschlag:

Konkret sollen Unternehmen, die im operativen Geschäft einen Überschuss erzielen, keine Stellenprozente abbauen dürfen. Wenn der Verdacht besteht, dass dies bei einer Entlassung der Fall ist, haben VertreterInnen der Belegschaft und der Gewerkschaften das Recht die Geschäftsbücher zu prüfen. Die Initiative soll sich an Schweizer Firmen und Schweizer Standorte von ausländischen Firmen richten.

Im Moment ist es kaum möglich, Einblicke in die Geschäftsbücher zu erhalten. Wie das Beispiel der UPC Cablecom zeigt, ist es je nach Rechtsform der Unternehmen schwierig, Einblick in die Zahlen von Firmen zu gewinnen. Aktiengesellschaften öffnen zwar ihre Geschäftsbücher, aber die Daten sind von Experten aufbereitet und wiederspiegeln kaum je die wahre Situation.

Mit der Offenlegung der Geschäftsbücher bei Entlassungen erhalten die Arbeitenden und Gewerkschaften einen genauen Einblick in den Zustand des Unternehmens. So haben sie ein konkretes Mittel gegen Entlassungen.

Es wird offensichtlich, was mit dem erzeugten Mehrwert passiert, wie das Geld mit Buchhaltungstricks versteckt wird und wie die Kapitalisten Steuern hinterziehen. Die Offenlegung dieser Tricks und Machenschaften haben ein enormes Potential, um den Kampf gegen das Privateigentum der Unternehmen voranzutreiben.

Damit ist die Forderung ein erster Schritt in Richtung ArbeiterInnenkontrolle, wie die Antragstellenden korrekt feststellen. Wenn die ArbeiterInnen lernen, wie die Geschäftsbücher funktionieren, können sie diese auch selbst führen. Dies ist ein erster Schritt in Richtung einer Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle.

Junge ArbeiterInnen und Lernende spüren die Krise in ihrem Arbeitsalltag. Besonders der Abbau von Lehrstellen oder das Aufheben von Lehrverhältnissen wird mehr und mehr zur bitteren Realität. Das Fehlen von Arbeitsplatzsicherheit, Arbeitsqualität, Lohnkürzungen und Erhöhung der Arbeitszeit schürt den Frust. Mit dieser Forderung können wir einerseits die Angst vor diesen Verschlechterungen besiegen und andererseits den Frust, der unter uns ArbeiterInnen herrscht, aufnehmen.

Fazit
Beide Vorschläge bringen wichtige und richtige Forderungen auf den Tisch, die gut diskutiert werden müssen. Sowohl beim Kampf gegen das Migrationsregime wie auch in der Frage von Entlassungen gehen die Vorschläge in die korrekte Richtung. Beide versuchen die Punkte des Klassenstandpunktes, des Übergangscharakters der Forderung sowie deren Vereinbarkeit mit dem Bewusstseinstand der Massen zu berücksichtigen. Von einem Abstimmungssieg sollten wir bei beiden Forderungen allerdings nicht ausgehen. Vielmehr ist die Mobilisierung zentral. Die Mensch- statt Grenzschutz-Initiative kann die Frage des Migrationsregime nur in einem begrenzten Umfang angreifen, wodurch die Mobilisierung rund um diese isolierten Forderungen schwer würde. Die Forderung des Entlassungsverbot kann mit der richtigen Kampagne den allgemeinen Unmut aufgreifen und als ein Mittel zur Verbreitung sozialistischer Ideen besonders zum Thema Arbeitsplatzsicherheit genutzt werden. Richtig eingesetzt, hat die Initiative ein enormes Potential für den Kampf gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und kann mit weitergehenden Forderungen verknüpft werden.
Deniz Yelögrü & Michael Wepf
Juso Basel-Stadt